Die Auserwaehlte
Gesetzlosen, begleitet von Arbeitern und Kindern von den Gütern der Acoma.
Die Gesetzlosen murmelten verärgert, und Lujan schüttelte voller Überraschung und Ehrfurcht den Kopf. »Mistress, was für einen Plan habt Ihr geschmiedet?«
»Eine Chance, Lujan … für uns alle.«
Die langen Schatten des Nachmittags fielen auf das Gras an der Quelle, wo die Needras grasten und mit hin und her wirbelnden Schwänzen nach Insekten schlugen. Mara sah von dem Wagen auf die zerlumpten Gesetzlosen hinab, die am Waldrand auf den Boden hockten und eifrig das Mahl aus Fleisch, Früchten und Thyza-Brot zu sich nahmen, daß ihre Köche unter ihnen verteilt hatten. Auch wenn das Essen besser war als alles, was die meisten von ihnen seit Monaten gegessen hatten, spürte Mara, daß sich Unbehagen unter den Männern ausbreitete. Wer im Kampf besiegt wurde, hatte fortan ein Leben als Sklave vor sich; das war eine unabwendbare Tatsache. Die Ehre der Acoma garantierte ihnen den Status als freie Männer, und in freigebiger Gastfreundschaft hatte man ihnen zu essen gegeben; das verdiente ein zaghaftes, wenn auch skeptisches Vertrauen. Dennoch hatte die junge Herrin noch nicht erklärt, was sie mit diesem seltsamen Treffen beabsichtigte, und so blieben die Gesetzlosen mißtrauisch.
Mara studierte die Männer sehr genau und erkannte, daß sie den Soldaten, Arbeitern und Sklaven ihrer Güter ziemlich ähnelten. Doch eine Eigenschaft schienen sie nicht zu besitzen, denn wären diese Männer auch in edle Roben gekleidet, man würde sie immer noch für Ausgestoßene halten. Als die letzten Krümel des Mahls verzehrt waren, wußte sie, daß ihre Zeit zu sprechen gekommen war.
Papewaio und Keyoke hatten sich zu beiden Seiten des Wagens neben ihr aufgebaut, als sie jetzt tief Atem holte und mit lauter Stimme sagte: »Ihr Gesetzlosen, ich bin Mara, Lady der Acoma. Ihr habt mich bestohlen, und dafür steht Ihr in meiner Schuld. Um diese Verpflichtung ehrenhaft zu erfüllen, bitte ich Euch, mir zuzuhören.«
Lujan der in der ersten Reihe saß, stellte seinen Weinbecher beiseite. »Die Lady der Acoma ist sehr großzügig, wenn sie sich mit der Ehre der Gesetzlosen befaßt. Jeder in meiner Gruppe wird ihrer Bitte gerne zustimmen.«
Mara suchte in dem Gesicht des Bandenführers nach einem Hinweis auf Spott; aber sie fand nur Interesse, Neugier und versteckten Humor. Sie begann bereits diesen Mann zu mögen. »Ihr seid alle aus vielerlei Gründen zu Ausgestoßenen geworden, wie ich jetzt weiß. Das Schicksal war Euch allen wenig gewogen.« Der Mann mit dem verwundeten Bein äußerte laut seine Zustimmung, und andere reckten die Köpfe oder beugten sich gespannt nach vorn. Zufrieden nahm Mara zur Kenntnis, daß sie ihre volle Aufmerksamkeit besaß. »Für einige von Euch bestand das Unglück darin, daß Ihr die Herren überlebtet, denen Ihr gedient habt.«
»Und so wurden wir entehrt!« rief ein Mann, dessen Armbänder aus Rindenstücken geflochten waren.
»Und daher haben wir keine Ehre!« kam ein Echo aus einer anderen Ecke.
Mara erhob ihre Hand und bedeutete ihnen zu schweigen. »Ehre heißt, seine Pflicht zu tun. Wenn ein Mann ausgeschickt wird, den weiter entfernt liegenden Besitz seines Herrn zu bewachen, und sein Herr stirbt, ohne daß er die Möglichkeit hatte, ihn zu verteidigen, ist er dann ohne Ehre? Wenn ein Krieger im Kampf verwundet wird und bewußtlos neben seinem sterbenden Herrn liegt, ist es dann sein Fehler, wenn er lebt und sein Herr nicht?« Mara ließ den Arm sinken; ihre Armreifen klirrten. Ihre Stimme hatte jetzt einen Befehlston angenommen: »Alle diejenigen, die Diener, Bauern und Arbeiter waren, sollen jetzt die Hand heben.«
Ungefähr ein Dutzend Männer kam ihrer Aufforderung ohne Zögern nach. Die anderen bewegten sich unruhig, und Blicke schossen von der Lady zu ihren Kameraden, während sie begierig darauf warteten, was sie vorschlagen würde.
»Ich brauche Arbeiter.« Mara machte eine umfassende Handbewegung und lächelte. »Ich erteile Euch hiermit die Erlaubnis, in den Dienst meines Hadonras zu treten.«
Jetzt war es vorbei mit der Ruhe. Die Banditen sprachen alle auf einmal, einige murmelten unverständlich vor sich hin, andere äußerten sich lauthals. Das, was die Lady ihnen anbot, war beispiellos im Kaiserreich. Keyoke wedelte mit dem Schwert und bat um Ruhe, als ein kühn gewordener Bauer auf die Füße sprang. »Als der Lord Minwanabi meinen Herrn erschlug, rannte ich fort. Aber das Gesetz sagt, daß
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