Die Auserwaehlte
bequemen Hausrobe entspannen.
Auf den Befehl ihrer Herrin zog eine Dienerin einen Laden zurück, der den Blick auf einen kleinen Teil des Gartens im inneren Hof freigab. Mara nutzte ihn immer, wenn sie Ruhe zum Nachdenken und Sinnieren brauchte. Die raffinierte Anordnung von Büschen und Zwergbäumen zu einem dichten Streifen Grün ermöglichte es, daß die Bediensteten bei der Verrichtung ihrer Aufgaben den zentralen Innenhof des Hauses durchquerten, ohne Mara sehen zu können.
Als Nacoya erschien, hatte Mara sich vor den Eingang zum Garten gesetzt. Das Mädchen war sichtlich erschöpft und bedeutete der Amme schweigend, sich ihr gegenüber niederzulassen. Dann wartete sie.
»Mistress, ich habe hier eine Liste aller geeigneten Verbindungen«, begann Nacoya.
Mara starrte weiterhin durch die Tür hinaus in den Garten; sie blieb vollkommen reglos bis auf eine leichte Drehung des Kopfes, als die Dienerin ihre langen, feuchten Haare kämmte. Nacoya setzte stillschweigend das Einverständnis ihrer Herrin voraus und rollte das Pergament mit ihren faltigen Händen auseinander. »Mistress, wenn wir die Intrigen der Minwanabi und Anasati überleben wollen, müssen wir sehr sorgfältig nach einer Verbindung suchen. Wir haben drei Möglichkeiten, denke ich. Wir können uns mit einem alten und ehrenvollen Namen verbinden, dessen Einfluß mittlerweile gesunken ist. Oder wir können einen Ehemann aus einer Familie wählen, die erst kürzlich zu Macht und Wohlstand gelangt ist, aber Ehre, Tradition und politische Verbindungen sucht. Schließlich können wir uns für eine Familie entscheiden, die sich mit uns verbindet, weil der Name Eures Vaters ihren eigenen Zielen im Großen Spiel zugute kommt.«
Nacoya hielt inne, um Maras Antwort abzuwarten. Doch die junge Frau starrte weiter in das Zwielicht des Gartens, und nur ein schwaches Runzeln kräuselte ihre Stirn. Die Dienerin war jetzt fertig mit Kämmen; sie band Maras Haare zu einem festen Knoten zusammen, verbeugte sich und verschwand.
Nacoya wartete. Als Mara immer noch keine Anstalten machte, sich zu rühren, räusperte sie sich und deutete, während sie ihre Erbitterung so gut es ging verbarg, auf die Schriftrolle. »Ich habe jene Familien ausgelassen, die zwar mächtig sind, denen es aber an Tradition mangelt. Ihr habt mehr von einer Heirat mit dem Sohn eines Hauses, der im Gegenzug mächtige Verbündete besitzt. Da dies möglicherweise zu Verwicklungen mit Verbündeten der Minwanabi führen kann, besonders den Anasati, bleiben nur wenige wirklich geeignete Familien.« Sie warf wieder einen Blick auf Mara, aber die Lady der Acoma schien einzig den Geräuschen der Insekten zu lauschen, die nach dem Sonnenuntergang ihren Gesang angestimmt hatten.
Als die Bediensteten ihre Runden machten und die Lampen für den Abend vorbereiteten, sah Nacoya die tiefen Runzeln auf Maras Stirn. Die alte Amme glättete das Pergament mit einer zielstrebigen Bewegung. »Von all jenen, die möglicherweise an einer Verbindung mit uns interessiert wären, scheint die beste Wahl…«
Plötzlich sprach Mara: »Nacoya. Wenn die Minwanabi das mächtigste einzelne Haus im Kaiserreich sind, welches andere Haus ist dann ihr stärkster politischer Verbündeter?«
Nacoya legte die Liste auf ihren Schoß. »Die Anasati, zweifellos. Wenn der Lord der Anasati nicht existieren würde, wäre diese Liste mindestens fünfmal so lang. Dieser Mann hat inzwischen Verbindungen zu mehr als der Hälfte aller einflußreichen Lords des Kaiserreiches.«
Mara nickte langsam. Ihre Augen waren auf einen unbestimmbaren Punkt irgendwo in der Luft gerichtet. »Ich habe mich entschieden.«
Nacoya beugte sich erwartungsvoll nach vorn. Furcht durchströmte sie plötzlich. Mara hatte die Liste nicht einmal in die Hand genommen, geschweige denn einen Blick auf die Namen geworfen, die Nacoya dem Schreiber diktiert hatte. Mara wandte sich zu ihr um und blickte Nacoya fest an. »Ich werde einen Sohn des Lords der Anasati heiraten.«
Vier
Schachzüge
Ein Gongschlag ertönte.
Der Ton hallte durch den großen Saal im Haus der Anasati. Kriegsflaggen längst vergangener Zeiten schmückten die Wände des Raumes, und der Geruch alten, gewachsten Holzes und generationenlanger Intrigen hing in der Luft. Das gewölbte Ziegeldach warf so tiefe Schatten, daß trotz zahlloser brennender Kerzen eine düstere Atmosphäre herrschte. Die Halle selbst schluckte einen Großteil der Geräusche, so daß die dort versammelten und wartenden
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