Die Auserwaehlte
energischer Heftigkeit und konnte die Wut kaum verhehlen.
Mara sah ihre alte Amme an und trat auf sie zu, bis nur noch wenige Zentimeter sie trennten. »Ich bin die Herrin der Acoma.« Die Aussage spiegelte nur wenig von dem Zorn des vergangenen Augenblicks, und Mara beruhigte sich langsam wieder. Sie betrachtete das Gesicht der Frau, die sie aufgezogen hatte, seit sie ein Baby gewesen war. »Mutter meines Herzens«, sagte sie dann ernst, »von allen, die mir dienen, liebe ich dich am meisten.« Dann wurden ihre Augen schmal, und das Feuer kehrte in ihre Stimme zurück. »Aber vergiß niemals auch nur für einen Augenblick, daß du mir dienst. Berühre mich noch einmal so, rede noch einmal in dieser Weise mit mir, Nacoya – und ich werde dich wie eine Küchensklavin prügeln lassen. Hast du mich verstanden?«
Nacoya schwankte einen Augenblick und beugte dann langsam ihren alten Kopf. Einzelne Haarsträhnen flatterten um ihren Nacken, als sie sich steif vor Mara niederließ, bis beide Knie den Boden berührten. »Ich bitte meine Herrin um Vergebung.«
Nach einem kurzen Augenblick beugte sich Mara vor und legte die Arme um Nacoyas Schultern. »Meine älteste und liebste Kameradin, das Schicksal hat unsere Rollen getauscht. Noch vor wenigen Tagen war ich eine Novizin im Tempel, und du warst meine Lehrerin und Mutter. Jetzt muß ich über dich herrschen, wie es auch mein Vater getan hat. Du dienst mir sehr, wenn du mir deine große Weisheit zur Verfügung stellst. Aber am Ende muß ich allein entscheiden, welchem Weg ich folge.«
Mara hielt die zitternde alte Frau fest. »Und solltest du jemals Zweifel haben, erinnere dich daran, daß die Banditen mich nicht gefangengenommen haben. Papewaio und Keyoke sind nicht gestorben. Ich habe die richtige Entscheidung getroffen. Meine List war erfolgreich, und jetzt erhalten wir ein bißchen von dem zurück, was wir verloren haben.«
Nacoya war still. »Ihr hattet recht«, flüsterte sie schließlich.
Mara ließ die alte Frau los und klatschte zweimal kurz in die Hände. Dienerinnen eilten herbei, um sich um ihre Herrin zu kümmern, während die alte Amme vom Boden aufstand. Immer noch bebend von der Maßregelung sagte sie: »Lady, ich bitte um die Erlaubnis, mich zurückziehen zu dürfen.«
Mara hob ihr Kinn, als eine der Dienerinnen begann, den Kragen ihres Gewandes zu öffnen. »Ja, meine gute Alte, aber kehre zurück, wenn ich gebadet habe. Wir haben viel zu besprechen. Ich habe über das nachgedacht, was du mir geraten hast. Die Zeit ist gekommen, Vorbereitungen für eine Heirat zu treffen.«
Nacoyas dunkle Augen öffneten sich weit. Nach Maras eigenwilligem Verhalten kam dieses Zugeständnis vollkommen überraschend. »Wie Ihr wünscht, Mylady«, sagte sie und verbeugte sich. Dann verschwand sie und überließ die Dienerinnen ihrer Arbeit. Im düsteren Licht des Korridors streckte die alte Frau erleichtert ihren Rücken. Zu guter Letzt hatte Mara ihre Rolle als Herrscherin akzeptiert. Und wenn auch die Intensität von Maras Tadel sie nicht unberührt gelassen hatte, so lag auch eine tiefe Befriedigung darin, die Verantwortung für ein Kind abgeben zu können, das die Ehre ihrer Vorfahren selbst in die Hand nehmen mußte. Die alte Amme nickte in sich hinein. Zwar gehörte Umsicht nicht gerade zu Maras Tugenden, doch sie hatte ohne jeden Zweifel die erstaunliche Kühnheit und den Mut ihres Vaters geerbt.
Eine Stunde später erhob sich die Lady der Acoma aus ihrer Badewanne. Zwei Dienerinnen wickelten Tücher um ihren naßglänzenden Körper, während eine andere die Trennwand wieder aufstellte, mit der die hölzerne Wanne vom Rest des Schlafzimmers abgeteilt war. Wie in allen großen Häusern der Tsuranis hingen Anzahl und Größe der Räume davon ab, wo und wie Trennwände und Türen eingesetzt wurden. Wenn Mara einen anderen Laden zur Seite schob, konnte sie das Schlafzimmer direkt vom Arbeitszimmer aus erreichen, ohne die Haupträume verlassen zu müssen.
Die Luft war immer noch heiß. Mara wählte ihre leichteste Seidenrobe, die kaum mehr als die Hälfte der Oberschenkel bedeckte und beinahe durchsichtig war, da ihr die reichhaltige Stickerei fehlte. Der Tag hatte sie zutiefst ermüdet, und sie sehnte sich nach einfacher Kleidung und Entspannung. Später, in den kühleren Stunden des späten Abends, würde sie ein längeres und schwereres Gewand tragen. Aber jetzt, in der Gegenwart ihrer Dienerinnen und Nacoyas, konnte Mara sich in der leicht anzüglichen, doch
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