Die Auserwaehlte
Geheimnis. Daß zwischen ihm und Euch gegenwärtig Frieden herrscht, ist nur eine Sache des Augenblicks. Früher oder später werdet auch Ihr aufeinanderprallen.« Ihre kleinen Hände verkrampften sich in ihrem Schoß, und ihre Stimme wurde lauter vor Entschlossenheit: »Ich würde mich mit jedem verbinden, der eines Tages den Mann vernichten kann, der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist.«
Der Erste Berater des Lords der Anasati wandte sich ab, damit niemand sein Gesicht sehen konnte – es war davon auszugehen, daß sich mindestens einer der Soldaten der Acoma als Spion erweisen würde, der von den Lippen ablesen konnte. »Ich glaube kein Wort von all dem, Mylord«, flüsterte er Lord Tecuma ins Ohr.
Der Lord der Anasati neigte seinen Kopf ganz leicht und antwortete mit nahezu geschlossenem Mund: »Ich auch nicht. Doch wenn dieses Mädchen Jiro zum Lord der Acoma macht, kann ich einen lebenslangen Verbündeten für mein Haus gewinnen. Und mein Sohn erhält einen Rang, der weit über dem liegt, was ich jemals für ihn zu erhoffen wagte. Außerdem hat sie recht: Früher oder später wird es zu einer endgültigen Abrechnung zwischen mir und Jingu von den Minwanabi kommen. Wenn wir die Minwanabi vernichten, wird einer meiner Söhne der Lord einer der Fünf Großen Familien sein.«
Chumaka schüttelte in einer schwachen Geste der Resignation den Kopf. Sein Lord glaubte also, daß eines Tages seine Nachkommen von zwei verschiedenen Häusern aus um das Amt des Kriegsherrn konkurrieren würden. Tecuma führte seinen Gedanken fort: »Abgesehen davon wird sie nichts anderes als die Frau des Herrschers sein. Ihr Ehemann diktiert die Politik der Acoma. Nein, Chumaka, welchen Plan auch immer Mara verfolgt, diese Gelegenheit ist zu gut, um sie vorbeiziehen zu lassen. Ich glaube nicht, daß dieses Mädchen gerissen genug ist, um uns hereinzulegen, wenn Jiro erst einmal über die Acoma herrscht.«
Tecuma betrachtete seine drei Söhne und sah, wie Jiro einen prüfenden Blick auf Mara warf. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen fand der zweite Sohn sowohl die zu erwartende Position als auch das Mädchen selbst beeindruckend; als vernünftiger junger Mann mußte er eine solche Heirat einfach begrüßen. In diesem Augenblick suchte der Junge den Blick des Vaters und nickte zustimmend. Nach Tecumas Empfinden strahlte Jiros Gesicht ein bißchen zu viel Begierde aus, und das Nicken war etwas zu begeistert. Der Junge wußte, daß die Macht nur um Haaresbreite von ihm entfernt lag, und er begehrte sie ganz offen. Tecuma seufzte beinahe; Jiro war jung und würde noch lernen müssen. Ein unangenehmes Gefühl beschlich den alten Mann; etwas gefiel ihm nicht. Einen Moment lang erwog er, das Mädchen einfach wieder wegzuschicken, sie der nicht so zartbesaiteten Gnade der Minwanabi zu überlassen. Seine Zielstrebigkeit hielt ihn davon ab. Sein Sohn würde einen bis dahin nicht für möglich gehaltenen Rang bekleiden, und er selbst könnte das Vergnügen auskosten, daß die Tochter eines alten Feindes endlich und endgültig ihm Untertan war – all das beseitigte seine letzten Zweifel. Der Lord der Anasati winkte seinen Berater zur Seite und wandte sich an Mara: »Ihr habt weise entschieden, Tochter.« Indem er sie Tochter nannte, hatte er vor Zeugen unwiderruflich das Angebot zu einer Heirat angenommen. »Wen möchtet Ihr heiraten?«
Nacoya konnte ihren Zorn kaum verbergen und bewegte ihren Fächer heftig hin und her – weniger um ihr Gesicht zu kühlen, als vielmehr um ihre vor Wut zitternde Hand angesichts dieses Verrats zu verbergen. Mara lächelte. Sie sah wie ein Kind aus, dessen Eltern gerade die Dämonen der Nacht vertrieben hatten. Sie ließ sich von den zwei Offizieren aus der Sänfte helfen. Der Brauch sah vor, daß sie jetzt den Bräutigam auswählte. Tecuma von den Anasati war vollkommen arglos, als seine zukünftige Schwiegertochter die Sänfte verließ; die hektische Bewegung seines ersten Beraters, als das Mädchen auf Jiro zuging, beachtete er nicht. Sie trippelte in kleinen Schritten nach vorn, da ihr riesiges zeremonielles Gewand einen anderen Gang nicht zuließ. Licht fing sich in ihrer mit Juwelen besetzten Kopfbedeckung, als sie vor die Kissen trat, auf denen die drei Söhne in vollem Hofgewand saßen. Halesko und Buntokapi sahen ihren Bruder mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck an; Halesko zeigte so etwas wie Stolz, während der Jüngste völlige Gleichgültigkeit zur Schau stellte.
Mara verbeugte sich
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