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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Bosworth
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fiel zu Boden.
    Ich ließ den Blick über den Strom von Schülern wandern, da ich hoffte, irgendjemand würde einschreiten. Würde irgendetwas tun. Mir fiel auf, dass manche das Geschehen aus dem Augenwinkel beobachteten, während andere so taten, als sähen sie nichts. Einige gingen schneller, vermutlich aus Angst, die nächsten Opfer zu sein.
    In meiner Brust pulsierte Hitze wie ein zweiter Herzschlag. Das Pochen dröhnte in meinen Ohren. Ich atmete tief durch.
    Reiß dich zusammen, Mia. Du hast die letzten vier Wochen überstanden, ohne zu implodieren, also wirst du auch die nächsten Minuten überstehen.
    Die verwahrlosten Jugendlichen ließen den Jungen los und schubsten ihn weg. Er taumelte und hielt sich an einem Fahnenmast fest, um nicht hinzufallen. Ihm rannen Tränen aus den Augen, die er wütend mit dem Ärmel fortwischte.
    Parkers Lähmung verflog, und er machte einen Schritt in Richtung der Angreifer.
    Ich hielt ihn zurück. »Nein«, herrschte ich ihn an.
    In Parkers Blick war Wut zu erkennen. »Damit dürfen sie nicht davonkommen.«
    »Das sind sie bereits.«
    Die Jugendlichen rissen den Rucksack des Jungen auf, warfen seine Bücher und Blätter auf den Boden und machten sich mit dem restlichen Inhalt aus dem Staub. Vermutlich befand sich nur noch eine Flasche Wasser oder ein Energieriegel in dem Rucksack, da dieser fast leer aussah.
    Parker riss sich von mir los, und einen Augenblick lang glaubte ich, er wolle der Meute folgen. Doch er hatte zu langsam reagiert. Die Jugendlichen waren bereits verschwunden.
    Mein Bruder baute sich vor mir auf. »Ich hätte was dagegen tun können.«
    »Du hättest dir Prügel einfangen können.«
    »Besser, als dazustehen und zuzuschauen!« Seine Stimme wurde lauter, deshalb zwang ich mich, ruhig zu klingen, obwohl ich das Gefühl hatte, innerlich zu kochen.
    Die Menge teilte sich um uns und gab jetzt vor, nicht zu sehen, wie mein Bruder und ich miteinander stritten.
    »Was meinst du eigentlich, was los wäre, wenn du übel zugerichtet und voller blauer Flecken von der Schule nach Hause kommen würdest? Mom würde völlig durchdrehen. Denk daran, Parker. Denk an sie .«
    Parker starrte mich wütend an. »Mom ist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der Hilfe braucht.«
    Mit diesen Worten ließ er mich stehen und tauchte wieder in die chaotische Prozession von Schülern ein.
    Ich drehte mich noch einmal zu dem Jungen um, der sich nach wie vor an dem Fahnenmast festhielt. Er presste eine Hand auf die Stelle, wo er den Schlag verpasst bekommen hatte. Sein Mund war vor Schmerz verzerrt, und er hatte den Blick in den Himmel gerichtet, damit niemand seine Tränen sah, vielleicht aber auch, um die Flagge zu betrachten, die zu Ehren der Toten auf Halbmast hing, wo sie vermutlich noch lange, lange bleiben würde. Eine Jüngerin ging auf den Jungen zu und reichte ihm ein Taschentuch. Sie lächelte, als gäbe es nicht das geringste Problem auf dieser Welt, dann flüsterte sie ihm etwas zu. Ich war den beiden nahe genug, um verstehen zu können, was sie sagte.
    »Hast du das Wort von Rance Ridley Prophet als das Wort Gottes anerkannt?«, fragte sie ihn.
    Der Junge schüttelte den Kopf, nahm jedoch das Taschentuch.
    Ich ging weiter, bevor ich noch mehr hören konnte, aber als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, dass sich die beiden weiterhin unterhielten, und spürte einen Schauder an meiner Wirbelsäule hinaufkriechen. Ich schloss mich den übrigen zerzausten, hohlwangigen Jugendlichen an, die in die Schule trotteten, und hielt Abstand zu den Jüngern. Als wir die Eingangstreppe erreichten, sah ich, dass jemand etwas auf die Betonstufen mit weißer Farbe geschrieben hatte. Ein Wort pro Stufe:
    FÜR
    WELCHE
    SEITE
    ENTSCHEIDEST
    DU
    DICH?
    Mein Kopf pochte, als ich über die Frage stieg.
    Kurz vor der Tür drängelte sich ein Mädchen vor mich, schubste mich zur Seite und verschüttete dabei die Hälfte seines Kaffees zum Mitnehmen über meinen Rollkragenpullover.
    »Hey! Pass doch auf!« Ich stand mit ausgebreiteten Armen da, triefend.
    Das Mädchen blieb stehen und drehte sich langsam zu mir um. Eine Zeile aus der Sesamstraße , die ich mir früher immer angesehen hatte, ging mir durch den Kopf: Eins von diesen Dingen ist nicht wie die anderen …
    Das Mädchen passte nicht hierher. Während fast alle anderen aussahen, als hätten sie einen Krieg hinter sich, schien dieses Mädchen zu denken, es stünde vor einer Diskothek Schlange. Bekleidet war sie mit einem engen

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