Die Auserwählte: Roman (German Edition)
hast.«
Meine Finger fühlten sich taub an, als ich die Karte aus meiner Gesäßtasche zog und auf den Tisch legte.
»Der Turm«, sagte Mr Kale.
Schiz und Quentin starrten mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Sie hat sie zweimal hintereinander gezogen«, sagte Katrina.
»Was bedeutet das?«, fragte Parker.
»Das bedeutet gar nichts«, entgegnete ich, obwohl mir weitere Schauder den Rücken hinunter- und hinaufliefen. »Das ist eine bescheuerte Tarotkarte. Das ist ein Spiel. Und was haben Tarotkarten überhaupt mit biblischen Offenbarungen zu tun? Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.«
»Da täuschst du dich, Mia.« Katrina nahm die Karte vom Tisch und steckte sie wieder in ihren Stapel. »Alles ist miteinander verbunden. Absolut alles. Es gibt keine geraden Linien, nur Kreise, die sich immer drehen und drehen und immer dort enden, wo sie begonnen haben. Und wir alle sind Punkte auf diesem Kreis. Auch du, Mia.« Sie mischte die weichen Karten, die flüsterten. »Ich werde dir eine Geschichte erzählen.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ob es Mom wohl gut ging?
»Diese Karten haben einer Vorfahrin von mir gehört, der Gründerin des Kreises der Suchenden und der mächtigsten Seherin ihrer Zeit. Sie hat mit ihrer Roma-Sippe den Atlantik überquert, und in dem Augenblick, als sie einen Fuß auf amerikanischen Boden setzte, hatte sie eine Vision und fiel auf die Knie.«
Mischen.
»Sie führte eine Tarotlesung durch und benutzte dazu sämtliche Karten aus diesem Stapel. Die Lesung dauerte einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, nachdem sie die Karten in einem Kreis um sich ausgelegt hatte. Als sie schließlich mit der Lesung fertig war, sagte sie ihren Leuten, dass sie das Ende gesehen habe, die Zerstörung der Welt und der Menschheit, und dass sie hier, in der Neuen Welt, wieder von Neuem beginnen werde.«
Mischen.
»Sie sagte, dass es Zeichen geben werde, die uns warnen würden, und dass eines der letzten Zeichen ein Erdbeben sein werde, das die Türme einer großen Stadt der Engel zum Einsturz bringen würde. Und dass ein falscher Prophet auf einer Woge der Zerstörung an die Macht kommen werde.«
Mischen.
»Aber es gäbe einen Weg, wie sich der Untergang der Welt vermeiden ließe, sagte sie. Meine Vorfahrin gründete den Kreis der Suchenden, um Menschen mit dem Funken zu versammeln, wenn es so weit ist, und um eine Armee zum Kampf gegen den falschen Propheten aufzustellen. Doch als sie schließlich in die Stadt der Engel reiste, die ihr in ihrer Vision erschienen war, wurde ihr bewusst, dass das Ende erst in mehr als hundert Jahren kommen würde, da die Türme, die einstürzen würden, noch nicht einmal errichtet worden waren. Aber sie wusste, wo sie errichtet werden würden, und begab sich dorthin.«
Mischen.
»Als sie schließlich zu dem Ort kam, an dem die Türme errichtet und wieder zum Einsturz gebracht werden würden, spürte sie die elektrische Aufladung in der Erde. Die Energie. Sie hatte abermals eine Vision vom Ende.«
Katrina hörte auf, die Karten zu mischen.
Ich hielt den Atem an. Selbst mein Herz schien zwischen seinen Schlägen innezuhalten.
»Bevor sie starb«, sagte Katrina, »erzählte sie ihren Kindern, was sie gesehen hatte.«
»Und was war das?«, fragte ich und hasste den atemlosen Klang meiner Stimme.
»Ein Mädchen, das auf dem Dach des letzten Turms steht, umgeben von einem tosenden Sturm und Blitzen aus Blut.«
Ich erinnerte mich an meinen Traum, nachdem ich Jeremys Hand berührt hatte, an den roten Blitz und an die Schauder, die mir nicht nur über den Rücken, sondern über den ganzen Körper gelaufen waren.
»Die Ankunft dieses Mädchens sei das letzte Omen vor dem Ende, sagte sie. Wir würden sie erkennen, da ihre Haut gezeichnet sei und da sie immer die Turm-Karte ziehen werde.«
Katrina legte den Kopf schief und richtete den Blick auf meine Handschuhe. Auf meinen Rollkragen. »Oder der Turm würde sie wählen.«
Ich stand wie gelähmt da, als Katrina die Karten auf einem der Tische ablegte. Sie hob die obere Hälfte des Stapels ab und legte die untere Hälfte darauf.
»Zieh eine«, forderte sie mich auf.
Ich schüttelte den Kopf. »Parker, wir gehen. Komm mit.«
Ich wartete nicht ab, ob er mir folgte. Ich stürzte zur Tür, doch Parker holte mich ein, bevor ich den Türknauf drehen konnte.
»Mia, warte.« Er packte mich am Arm. »Was ist, wenn das alles stimmt?«
Ich schüttelte ihn ab. »Weißt du, seit wann Leute behaupten, die Welt würde
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