Die Auserwählte
Sicherheitsventil verstopft und einen gefährlichen Überdruck im Kochtopf erzeugt hatten. Zhobelia hatte sich anscheinend mehr Sorgen bezüglich der möglichen Risiken gemacht als ihre Schwester und gab sich die Schuld, weil sie nicht aufgeblieben war und dafür gesorgt hatte, daß Aasni sich nicht in Gefahr brachte.
Langsam erholte Zhobelia sich wieder. Sie stand wieder auf und aß auch wieder, obgleich sie nie wieder kochte. Calli und Astar, Zhobelias Töchter, füllten stillschweigend die Lücke, die durch den Tod ihrer Tante und den häuslichen Rückzug ihrer Mutter entstanden war, und übernahmen gemeinsam die Herrschaft über die Küche und die Oberaufsicht über die Whit-Familie. Zhobelia begab sich in eine Art selbstgewähltes Exil innerhalb ihres eigenen Heims, nahm keinen Anteil mehr an den alltäglichen Belangen und kümmerte sich anscheinend um gar nichts mehr; sie existierte dort, aber sie hatte den anderen offenbar wenig zu sagen, und es gab nichts, was sie tun wollte. Auf den Tag genau ein Jahr nach dem Feuer verließ sie High Easter Offerance.
Wir fanden einen Zettel von ihr, auf dem stand, sie wäre ihre leibliche Familie – die nun in Glasgow wohnte – besuchen gefahren, in der Hoffnung auf eine Versöhnung. Später hörten wir, daß eine gewisse Annäherung erreicht worden sei, daß Zhobelia aber nur nach Vergebung und Verständnis gesucht hätte, nicht nach einem neuen Heim; sie ging auch von dort wieder fort und, nun, es scheint einige Verwirrung darüber zu bestehen, wohin es sie schließlich verschlug. Astar, Calli und Salvador schienen durchaus überzeugt, daß sie noch am Leben war und alle nötige Fürsorge erhielt, aber die beiden Schwestern gaben sich leider sehr zugeknöpft, wenn man nach Einzelheiten fragte, während Großvater schlicht gereizt reagierte.
Ich glaube, das Feuer hat meinen Großvater verändert. Die geringste Veränderung war wohl, daß er sich von da an nur noch ganz in Weiß und nicht mehr in Schwarz kleidete, weit wichtiger war jedoch, daß er offenbar einiges von seiner Energie und seiner Leidenschaft verloren hatte; wie ich von jenen hörte, die damals in High Easter Offerance lebten, verlor unser Glaube eine Weile sein Ziel aus den Augen, und die Gemeinde verfiel in eine allgemeine Mutlosigkeit. Mit der Zeit hob sich die Stimmung wieder, und Großvater gewann etwas von seiner Antriebskraft und seinem Charisma zurück, doch, wie ich schon sagte, nichts war je wieder ganz so wie früher, obgleich es uns gut und immer besser ging.
Ich weiß, daß das Feuer mich verändert hat. Meine Erinnerungen beginnen mit jener Vision eines schmerzhaften, leeren Blaus, dem versengten Geruch von feuchtem Glimmen und den Klagelauten meiner Urgroßtante; zwei Jahre später erhielt ich die Gabe des Heilens.
Kapitel
Sechzehn
Ich hatte immer meine geheimen Plätze auf unserem Anwesen und den angrenzenden Ländereien; sie sind Teil jener ureigenen, verinnerlichten Landschaft, zu der jedes Kind seine Umgebung formt und die manchmal bis ins Erwachsenenalter erhalten wird, wenn wir am selben Ort bleiben und sich die Welt um uns herum nicht sonderlich verändert. Im Gegensatz zu den Verstecken vieler Kinder waren die meinen keine wirklichen Zufluchtsstätten, da es in der Gemeinde nichts gab, dem ich entfliehen wollte, es sei denn zu viel liebevoller Fürsorge.
Als Kinder wurden sowohl Allan als auch ich von allen um uns herum verwöhnt; Kinder führen sowieso ein recht angenehmes Leben in der Gemeinde, verehrt als Ergebnis der Vereinigung zweier Seelen und geachtet für ihre makellose neue Seele, aber mein Bruder und ich hatten es aufgrund unseres tragischen Schicksals als Vollwaisen sonders gut. Ich vermute, als Schaltjährige und Auserwählte Gottes wurde ich noch ein bißchen mehr verhätschelt als Allan, obgleich alle um uns herum offensichtlich fest entschlossen waren, uns durch überschwengliche Liebe und die Erfüllung selbst unserer unverschämtesten Wünsche für unser trauriges Los zu entschädigen, so daß ich bezweifeln möchte, daß er unter meinem höheren Rang zu leiden hatte, es sei denn durch den selbst zugefügten Schmerz, den wir Eifersucht nennen.
Ich denke, dies alles hätte auf jedes Kind der Gemeinde zugetroffen, hätte es in so zartem Alter seine Eltern verloren, aber es hat natürlich nicht geschadet, daß wir die Enkel des Gründers waren und daß er so viel seiner Liebe für seinen Sohn und die Frau seines Sohns auf uns übertrug und derartiges
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