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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Bist du sicher, daß sie noch lebt?«
    »Ziemlich sicher. Calli und Astar scheinen immer noch Kontakt zu ihr zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie… lügen würden.«
    »Okay, hör zu; ich sage ja nur, daß hier einiges vorgehen könnte, von dem du keine Ahnung hast. Versprich mir, daß du auf dich achtgeben wirst, ja?«
    »Das werde ich. Ich verspreche es. Und du mußt dir keine Sorgen machen; ich werde schon zurechtkommen. Komm in ein, zwei Wochen zurück. Komm zum Fest, und ich werde bis dahin dafür gesorgt haben, daß alles wieder im Lot ist. Ich werde die Angelegenheit schon in Ordnung bringen. Versprochen.«
    »Es gab da noch etwas anderes, um das du dich kümmern wolltest, Isis, noch bevor diese Sache passiert ist, so wie wir es gestern im Auto besprochen haben.«
    »Ich weiß«, erklärte ich ihr und umarmte sie. »Vertrau einfach auf Gott.«
    »Das ist deine Abteilung, Darling, aber ich vertraue auf dein Wort.«
    *
    Eines Nachts im November 1979 zerstörte ein Feuer das halbe Herrenhaus; es tötete meine Mutter Alice und meinen Vater Christopher und Großmutter Aasni, und es hätte vielleicht auch mich umgebracht, wenn mein Vater mich nicht aus dem Fenster in den Fischteich im Garten geworfen hätte. Er hätte sich vielleicht auch selbst retten können, aber er ging zurück, um nach meiner Mutter zu suchen; man fand sie schließlich engumschlungen und erstickt in dem Zimmer, das ich mit Allan teilte. Allan hatte sich selbst in Sicherheit gebracht.
    Großmutter Aasni starb in der Küche des Hauses, anscheinend das Opfer ihrer eigenen kulinarischen Experimente.
    Der Löschzug, den man in jener Nacht aus Stirling gerufen hatte, konnte nicht über die bereits baufällige Brücke am Haus der Woodbeans fahren; die Gemeinde löschte das Feuer mehr oder weniger allein, später dann mit etwas Hilfe von einer tragbaren Pumpe, die die Feuerwehrleute zu Fuß über die Brücke geschleppt hatten. Mein Großvater hatte immer gewußt, daß bei all den Kerzen und Paraffinlampen, die wir – besonders im Winter – benutzen, das Risiko eines Brandes auf dem Hof sehr hoch war; aus diesem Grunde hatte er Feuerschutzmaßnahmen immer sehr ernst genommen, hatte von einer anderen Farm eine alte, doch noch funktionsfähige handbetriebene Pumpe gekauft und dafür gesorgt, daß überall auf der Farm verteilt jede Menge Eimer mit Wasser und Sand standen, und er hatte regelmäßige Feuerübungen durchgeführt, damit jeder wußte, was im Falle eines Brandes zu tun wäre.
    Am nächsten Tag kamen Feuerwehrleute und nahmen die Ruine des Herrenhauses in Augenschein, um herauszufinden, wie es zu dem Brand gekommen war. Sie kamen zu dem Schluß, daß der Brandherd in der Küche gewesen sei und daß alles darauf hindeutete, daß ein Dampfkochtopf auf dem Küchenherd explodiert war und brennendes Öl in der Küche verspritzt hätte. Aasni war vermutlich bereits vom Druck der Explosion bewußtlos gewesen. Zhobelia – die aufgelöste, weinende, sich die Haare raufende Zhobelia – hielt gerade lange genug in ihrer Trauerklage inne, um zu bestätigen, daß ihre Schwester an der Entwicklung einer neuen Einmachart mit Hilfe des Dampfkochers gearbeitet hätte, zu deren Zutaten auch Ghee und eine Auswahl anderer Fette gehörten.
    Ich erinnere mich nicht an den Brand. Ich erinnere mich nicht an den Rauch und die Flammen oder daran, aus dem Fenster in einen Zierfischteich geworfen worden zu sein; ich erinnere mich weder an die Berührung meines Vaters noch an die Stimme meiner Mutter. Ich erinnere mich weder an eine Beerdigung noch an einen Gedenkgottesdienst. Das einzige, woran ich mich – mit seltsam statischer, fotografischer Klarheit – erinnere, ist die ausgebrannte Ruine des Herrenhauses, Tage oder Wochen später, deren rußige Mauersteine und die wenigen verbliebenen Dachbalken sich schwarz gegen den blauen Winterhimmel abzeichneten.
    Ich denke, Allan hat den Verlust unserer Eltern stärker empfunden; er war alt genug, um zu wissen, daß er sie nie mehr wiedersehen würde, wohingegen ich diese Vorstellung nicht wirklich begreifen konnte und einfach weiter darauf wartete, daß sie von dort, wohin sie gegangen waren, zurückkehrten. Ich vermute, der Zusammenhalt in der Gemeinde hat uns diesen Schlag milder empfinden lassen, als es in der unbedarften Gesellschaft der Fall gewesen wäre; Allan und ich wären mehr oder weniger genauso erzogen worden, wenn unsere Eltern nicht umgekommen wären – unsere Erziehung und Betreuung und die

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