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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Krieg zum Mittelpunkt eines hochkomplizierten und erbitterten Rechtsstreits geworden, und daher gab es niemanden, der Großvater und die Schwestern von dem Grundstück vertrieb; nach und nach machten sie die alte Fabrik erst zu ihrem Stützpunkt und dann zu ihrem Heim. In der Zwischenzeit betrieben Aasni und Zhobelia weiter ihren fahrenden Krämerladen, und Salvador durchstreifte im Licht der immer kürzer werdenden Tage in immer weiter gezogenen Kreisen die Dünen, noch immer auf der Suche nach der Segeltuchtasche. Abends, wenn der Wind durch das alte Gemäuer heulte und ihre Paraffinlampen in der Zugluft flackerten, die durch die Räume pfiff, die sie sich in der Büro-Etage der Fabrik eingerichtet hatten, machte Salvador sich daran, die Offenbarungen, die der Schöpfer ihm enthüllt und in sein Gehirn eingebrannt hatte, niederzuschreiben, während die rotbläuliche Narbe auf seiner Stirn langsam verblaßte und nur noch eine V-förmige weiße Delle zurückließ und sein Haar vorzeitig schlohweiß wurde.
    Oft hatte er dabei Bücher neben sich, die er aus Mr. McIlones Bibliothek geliehen hatte, wo er seine Studien begonnen hatte und noch immer ein gern gesehener Gast war. Großvater hatte beschlossen, jedes einzelne Buch und Traktat und Pamphlet in Mr. McIlones Abstellkammer durchzuarbeiten, eine Aufgabe, der er sich mit Feuereifer widmete, während er die dort gefundenen Einsichten und Lehren dazu benutzte, seine eigenen zu vervollkommnen.
    Wann genau Großvater und die Asis-Schwestern die intimere Form ihrer Dreierbeziehung aufnahmen, ist nicht überliefert; Großmutter Aasni und Großtante Zhobelia zeigten immer eine gewisse Scheu, Einzelheiten preiszugeben, welche von ihnen beiden Großvater zuerst in ihre hingebungsvollen Arme nahm oder ob sie ihn sich von Anfang an teilten. Sie sprachen nie darüber, ob es je irgendwelche Eifersucht bezüglich dieses (besonders an den erklärten Maßstäben der damaligen Zeit gemessen) unorthodoxen sexuellen Arrangements gab. Wenn man Salvador zu diesen Dingen befragt, so hüllt er sich in ein bedauerndes Schweigen, mit dem er anzudeuten scheint, daß er, obschon er unbedingt an die Offenheit und die freimütige, feierliche Heiligkeit der körperlichen Vereinigung und Liebe glaubt, in erster Linie Gentleman und somit verpflichtet ist, in diesem Punkt Stillschweigen zu wahren, solange er nicht die ausdrückliche Erlaubnis beider Schwestern erhält, eben dieses Stillschweigen zu brechen (eine Erlaubnis, die, wenn man bedenkt, daß meine Großmutter Aasni schon vor etlichen Jahren gestorben ist, wohl kaum noch einzuholen ist, es sei denn, sie würde zu einer Hälfte aus dem Grab gegeben werden).
    Salvador fand Arbeit auf Mr. McIlones Hof, um sich und die Schwestern durch das nächste Jahr zu bringen; in der Zwischenzeit suchte und schrieb er weiter, mit mehr oder weniger Eifer und Einsatz, je mehr Zeit ins Land zog.
    *
    Es dauerte ein wenig, bis ich einschlafen konnte, nachdem der Auto-Güterzug seine Fahrt wieder aufgenommen hatte; ich vermute, ich war noch immer aufgeregt von der ganzen Sache mit dem Anhalten und Besteigen des Zuges.
    Das Auto, in dem ich saß, roch stark nach Plastik; das Armaturenbrett und ein guter Teil der anderen Verkleidungen waren aus Plastik gefertigt, und die Sitze waren mit durchsichtigen Plastikhüllen geschützt. Ich hatte mein zusammenklappbares Sitzbrett herausgeholt, für den Fall, daß ich lieber sitzen als liegen wollte, dann verstaute ich den Seesack vorne im Fußraum und kletterte auf den Rücksitz, wo mehr Platz war. Ich hatte die Plastikhülle vom Rücksitz genommen und zusammengefaltet auf den Fahrersitz gelegt, da ich mir dachte, daß es beim Schlagen sonst zu laut rascheln könnte, dann hatte ich es mir für die Nacht bequem gemacht, ohne jedoch einschlafen zu können.
    Ich fühlte mich unbehaglich, überhaupt nur in dem Auto zu sein; es roch so neu und schien irgendwie entworfen, derart archetypisch seicht zu sein, daß ein wahrer Luskentyrianer kaum anderes empfinden konnte. Jedoch half meine Freude darüber, eine solch indirekte Transportmethode aufgetan zu haben, die Wirkung der vergifteten Banalität des Autos zu mildern.
    Während ich dalag und noch immer einzuschlafen versuchte, dachte ich an meine Cousine Morag, die Abtrünnige, und erinnerte mich daran, wie ich einmal mit ihr auf der Plattform des Deivoxiphons gesessen hatte, im warmen Sonnenschein eines Sommers vor vier Jahren, als sie so alt war, wie ich es jetzt bin, und ich

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