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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ich legte mich auf die Seite, den Kopf auf meinen Arm gestützt, und schaute sie an. Ich beneidete Morag um ihr glänzend kastanienbraunes Haar; es war wie ein wallender Heiligenschein auf den sonnengebleichten Planken um ihren Kopf ausgebreitet; ein breiter Wildbach, der in der Sonne glitzerte. »Es braucht mehr als ein paar Worte auf einer Landkarte, bis ich das große Schmachten kriege.«
    »Wer hat hier das große Schmachten? Ich habe nicht gesagt, ich würde schmachten.«
    »Ich wette, du hast von irgendeinem schnuckeligen Burschen aus Pendicles of Collymoon geträumt – «
    »Schnuckelig?« sagte Morag, und ihr Gesicht verzog sich, als sie anfing zu kichern. »Schnuckelig?« lachte sie. Ihre Brüste unter ihrem T-Shirt wippten, während sie lauthals gackerte. Ich fühlte, wie ich knallrot anlief.
    »Nun, dann eben dufte«, sagte ich und kniff ihr in den Arm, allerdings ohne Erfolg. »Tut mir leid, wenn ich nicht auf dem neuesten Stand bin, welche Worte gerade in Mode sind; wir führen hier ein sehr behütetes Leben.« Ich kniff sie fester.
    »Autsch!« rief sie aus und schlug meine Hand weg. Sie hob den Kopf und drehte sich auf die Seite, um mich anzusehen. »Aber sag doch mal, was weckt denn in dir romantische Gefühle?« fragte sie lächelnd. Sie ließ übertrieben den Blick schweifen. »Irgendeiner der Burschen hier?«
    Ich wandte den Blick ab; nun war es an mir, mich auf den Rücken zu legen und zum Himmel zu schauen.
    »Nicht wirklich«, gestand ich.
    Sie schwieg eine Weile, dann tippte sie mir mit einem Finger auf die Nase. »Vielleicht solltest du mehr unter die Leute gehen, Cousinchen.«
    Ich nahm ihren Finger in meine Hand, hielt ihn fest und drehte mich zu ihr um, und mein Herz schlug mit einem Mal wie wild. Sie sah mich einen Moment lang verwirrt an, während ich ihren Finger drückte und ihr tief in die Augen blickte, dann schenkte sie mir ein leises, vielleicht bedauerndes Lächeln. Sie löste sanft ihren Finger aus meinem Griff und sagte: »Ooooh…« ganz leise, nickend. »Im Ernst?«
    Ich wandte den Blick ab und verschränkte die Arme über der Brust. »Ach, ich weiß nicht«, erwiderte ich kläglich. Plötzlich war mir zum Heulen zumute, aber ich ließ es nicht zu. »Ich habe so viele Gefühle so viel… Leidenschaft in mir, aber sie scheinen nie auf die richtige Art herauszukommen. Es ist so…« Ich seufzte und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. »Ich meine, ich fühle, daß ich mich für Jungs interessieren sollte, und wenn nicht für Jungs, dann für Mädchen, aber ich muß mich beinahe zwingen, irgendwas zu empfinden. Manchmal denke ich, ich würde etwas fühlen, so als wäre ich normal, aber dann…« Ich schüttelte den Kopf. »Ich lege einem Menschen oder einem Tier die Hand auf, und es ist so, als ob all diese Leidenschaft… geerdet würde, wie ein Blitz.« Ich sah sie flehentlich an. »Bitte, erzähl niemandem davon.«
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte sie und zwinkerte mir zu. »Du wärst überrascht, wie verschwiegen ich sein kann. Aber hör mal: Liebe ist das einzige, was zählt. Finde ich jedenfalls. Liebe und Romantik. Die Leute regen sich unheimlich auf über Dinge, die sie für widernatürlich oder pervers halten, aber das einzige, was wirklich widernatürlich und pervers ist, ist der Gedanke, daß etwas falsch daran sein soll, wenn Menschen einander lieben.« Sie tätschelte mir abermals die Schulter. »Tu das, was du für richtig hältst, Is; es ist dein Leben.«
    Ich drehte mich um und sah sie an. Ich hatte noch immer keine Träne vergossen, aber ich mußte etwas schniefen und blinzeln, um meinen Blick zu klären. Ich räusperte mich. »Manchmal kommt es mir nicht so vor«, erklärte ich ihr.
    »Wie immer es dir vorkommt – wenn dir nicht nach Sex zumute ist, dann ist es das eben nicht. Schön, du fühlst irgendwas, und vielleicht hat es was mit Liebe zu tun, aber ich glaube nicht, daß es zwangsläufig sehr viel mit Sex zu tun hat. Und wenn’s so ist, dann versuch nicht, es krampfhaft zu etwas zu machen, was es nicht ist, nur weil du denkst, es würde von dir erwartet.«
    Ich dachte darüber nach, dann sagte ich: »Ja, aber was ist mit dem Fest der Liebe und dem Ganzen?«
    Sie runzelte die Stirn, und eine Weile lang konnte ich ihr hübsches, ernstes Gesicht betrachten. Dann sagte sie: »Oh« und holte tief Luft und legte sich wieder neben mich und schaute zu dem sonderbaren Gerät über uns hoch. »Ach ja, das Fest der Liebe«, sagte sie. »Das steht

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