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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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nach oben in ein Frauengesicht. Die Seiten ihres Kopfes waren rasiert; von ihrem Hinterkopf baumelten lange, blonde Strähnen wie magere Zöpfe. Ihre Nasenlöcher waren mit mehreren Ringen durchstochen.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Ich suche nach Zebediah Whit. Ist er hier?«
    »Zeb? Keine Ahnung. Wer bist du denn?«
    »Isis.«
    »Isis?«
    »Ja.«
    »Klasse Name.«
    »Vielen Dank. Die meisten nennen mich einfach Is. Ich bin eine Verwandte von Zebediah. Sagen Sie ihm bitte, daß ich hier bin, wenn Sie ihn finden.«
    »Geht klar. Bleib da.«
    Einige Minuten später öffnete sich die Tür, und vor mir stand Bruder Zebediah. Er war barfuß und stopfte sich ein zerknittertes Hemd in eine zerrissene Jeans.
    »Mann. Is. Irre. Scheiße. Klasse. Mann.« Zeb ist zwei Jahre älter als ich; er war noch magerer als ich ihn in Erinnerung hatte, und sein schwarzes Haar war sowohl länger als auch verfilztet. Sein Gesicht schien pickeliger, da wo man es durch die kleinen schwarzen Haarbüschel sehen konnte, die offenkundig bedeuten sollten, daß er versuchte, sich einen Bart wachsen zu lassen.
    Ich machte das Zeichen und streckte ihm meine Hand hin. Zeb starrte sie einen Moment verwirrt an, dann sagte er: »Oh. Mann. Ja. ’schuldigung. Natürlich. Klar. Ja.« und ergriff meine Hand. Er küßte sie und ließ sich auf ein Knie sinken. »Ja. Klar. Mann. Geliebte. Gesegnete? Geliebte. Isis. Willkommen. Irre. Ja.«
    Das Mädchen, mit dem ich zuerst gesprochen hatte, stand im Flur hinter ihm. Sie starrte zuerst mit offenhängendem Mund auf meinen Halbbruder, dann auf mich.
    »Bruder Zebediah«, begrüßte ich ihn. »Es freut mich, dich zu sehen. Bitte – erhebe dich.«
    Er tat es und grinste mich breit an. Er versuchte, mit seinen Fingern seine völlig zerzausten Locken durchzukämmen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Ich reichte ihm meinen Seesack. Er nahm ihn und drehte sich – meinem Blick folgend – zu dem Mädchen mit dem halb rasierten, halb gezopften Haar um. »Oh.
    Ja. Ja. Ähm. Geliebte Is: Roadkill. Roadkill: die Geliebte Is. Ja.« Er nickte mit seinem ganzen Oberkörper und grinste, dann machte er das Zeichen und verneigte sich und winkte mich herein.
    Ich betrat das Haus, nahm meinen Hut ab und reichte ihn Zeb. Das Mädchen starrte mich noch immer an. Ich begrüßte sie mit einem würdevollen Nicken. »Es ist mir ein Vergnügen«, sagte ich.

 
Kapitel
Sieben
     
     
    Bruder Zebediah hatte den Brief, der ihn von meiner bevorstehenden Ankunft in Kenntnis setzte, nicht erhalten; das besetzte Haus – denn um ein solches handelte es sich bei seiner Unterkunft – erfreute sich, wenn überhaupt, nur sporadischer Postzustellung, die anscheinend weitestgehend von der Lust und Laune des jeweiligen Postboten abhing, auf dessen Runde es lag. Der Haushalt besaß kein Telefon, daher war der Brief unsere einzige Möglichkeit der Kommunikation gewesen. Dementsprechend waren auch keine Vorbereitungen für meine Ankunft getroffen worden. Zebediah bemühte sich jedoch, unter den gegebenen Umständen, nach Kräften. Er wollte mir unbedingt sein Zimmer überlassen, das er mit Roadkill, seiner Freundin, teilte, während die beiden für die Zeit meines Aufenthalts auf den Dachboden umziehen wollten, aber nachdem ich den Raum und den Zustand des Putzes an den Wänden in Augenschein genommen hatte, schlug ich vor, daß der Dachboden vielleicht passender für mich wäre, da ich dort meine Hängematte gefahrlos zwischen zweien der Giebelbalken festmachen könnte.
    Der Dachboden hatte einen wenig vertrauenswürdigen Boden aus alten Türen und bunt zusammengewürfelten Brettern und Latten; ich bat Zeb, diese ordentlicher zu verteilen und die einzelne, nackte Glühbirne, die von der Decke baumelte, herauszuschrauben; ich würde eine Kerze als Lichtquelle benutzen. (In meinem Innersten hatte ich gehofft, das besetzte Haus würde über keinerlei Elektrizität verfügen, und ich war enttäuscht, als ich feststellte, daß dem nicht so war.) Darüber hinaus spendete Zebediah noch großzügig einen Teppichläufer und einen kleinen Tisch aus seinem Zimmer, um den Raum gemütlicher zu machen.
    Ich reckte meinen Kopf durch das Oberlicht, um zu sehen, welche Richtung Nord-Nordwest war, dann gab ich Zeb – der einen Hammer und zwei lange Eisennägel aufgetrieben hatte -Anweisung, wo er meine Hängematte festmachen sollte. Nachdem das erledigt war, zogen wir uns in die Küche zurück, wo Zeb die Stumpen einiger parfümierter Kerzen anzündete und mir

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