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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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feierlich in einer kleinen Plastikschüssel die Füße wusch, während Roadkill Essen in der Form irgendeiner Art Pastete oder Samosa bereitete. Ich reichte ihr etwas gesegneten Tee und einen kleinen Klacks Schmalz, jeweils in ein Stück Butterbrotpapier eingewickelt. Roadkill betrachtete die beiden kleinen Päckchen stirnrunzelnd, dann schaute sie hinein und roch daran.
    »Das riecht wie Tee«, sagte sie. Sie hatte einen angenehmen Akzent, den ich nicht genauer zu plazieren vermochte, als irgendwo in Südostengland.
    »Das ist es auch«, erklärte ich ihr.
    »Igitt, das da riecht nach Tier.«
    »Das ist Schmalz«, erwiderte ich und bedachte Zeb, der gerade den Zwischenraum zwischen zweien meiner Zehen mit seinem kleinen Finger säuberte, mit einem tadelnden Blick. Er schaute schuldbewußt drein, und er hatte auch allen Anlaß dazu; es war offensichtlich, daß Bruder Zeb einige unserer Speiseregeln nicht befolgt hatte.
    »Was, etwa von Schweinen?« fragte Roadkill.
    »Ganz genau«, bestätigte ich.
    »Da kann ich nicht drauf, Mann«, sagte Roadkill, während sie das kleine Päckchen mit zwei spitzen Fingern entgegennahm und es auf den Resopaltisch neben mir fallen ließ.
    »Roadkill ist Vegetarierin«, erklärte Zeb entschuldigend.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte ich und lächelte das Mädel an. »Ich verstehe das. Wie du zweifellos weißt, verbietet auch unsere Gemeinschaft den Verzehr von gewissen Fleischsorten, etwa solche, die von zweibeinigen Tieren stammen, wie zum Beispiel von Vögeln.« Ich sah, wie Roadkill und Zebediah merkwürdige Blicke austauschten, und schloß daraus, daß Zeb von der Stadt soweit korrumpiert worden war, daß er Geflügel gegessen hatte. Ich begann zu befürchten, daß meine Mission hier unten sehr wohl beinhalten mochte, Bruder Zebediah wieder auf den schmalen Pfad der Tugend zurückzuführen (so mir die Zeit dazu blieb). Ich gab vor, ihre schuldbewußten Blicke nicht zu bemerken, und fuhr fort: »Wenn du nur etwas von dem Tee in das tun würdest, was du für mich zubereitest, dann wäre ich zutiefst dankbar.«
    »Was, Teeblätter in die Pasteten?« fragte sie.
    »Nur eine kleine Prise«, erklärte ich ihr. »So, als wäre es Salz oder Pfeffer. Es geht nicht um den Geschmack; es hat rein symbolischen Charakter.«
    »Klar«, sagte sie. »Rein symbolischen Charakter. Schon kapiert.« Sie wandte sich kopfschüttelnd um.
    Ich nahm das kleine Päckchen Schmalz wieder an mich und steckte es ein; ich würde das Essen direkt vor dem Verzehr persönlich damit salben.
    Ein Knall hallte von der Diele herüber, gefolgt von Schritten, und dann kam ein großer, junger, weißer Mann mit sehr kurzen Haaren und einem schmuddeligen Anorak voller bunter Aufnäher in die Küche. Er blieb stehen und starrte Zeb an, der immer noch meine Füße wusch. Ich blickte lächelnd zu ihm auf.
    »Heilige Jungfrau Maria«, sagte er mit irischem Akzent und grinste.
    »Dicht dran«, erwiderte Zeb seufzend.
    *
    »Wie heißt deine Stiefschwester?«
    »Hagar«, bestätigte ich nickend.
    »Aber das ist doch ein Jungsname, oder, Zeb?«
    Zeb zuckte die Achseln.
    »Ja«, warf Roadkill ein, »wie dieser kleine dicke Wikinger in der Sun. Ach, nee, der heißt Hägar.«
    Einen Moment lang fragte ich mich, ob es heutzutage tatsächlich noch Wikinger gab und was sie wohl taten, daß darüber in der Zeitung berichtet wurde. »Nun, soweit ich weiß, handelt es sich bei Hagar um einen biblischen Namen, einen hebräischen Namen«, erklärte ich. »Es ist der Name der Dienerin von Abrahams Frau, ihrer Sklavin.«
    »Cool.«
    Es war früher Abend, und wir waren gerade auf dem Rückweg von einem Schnapsladen an der Kilburn High Road, eingehüllt vom donnernden Lärm und dem Gestank des Feierabendverkehrs; ich hatte mich bereit erklärt, Zeb und Roadkill zu helfen, etwas Alkohol für das gemeinschaftliche Abendessen im besetzten Haus zu besorgen; ich meldete mich aus einer nahe gelegenen Telefonzelle mit meinem 2-9-4-Code beim Haus der Woodbeans, während die beiden die Getränke kauften. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um eine Art Cider namens Litening Stryke, der in grellbunten Plastikflaschen verkauft wurde.
    Ich überlegte. »Und ich habe einen Stiefbruder namens Hymen.«
    »Hymen?« rief Roadkill aus. »Wie in Jungfräulichkeit; wie in Jungfernhäutchen?«
    »Ganz genau.«
    »Ein Stiefbruder?«
    »Ja.«
    »Total abgefahren. Benutzt er diesen Namen tatsächlich?«
    »Leider nein; Bruder Hymen ist ein Apostat

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