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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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hielten, waren ebenso gebaut. Ich stand und betrachtete den zähfließenden, lärmenden Verkehr und die niedrigen, tristen Gebäude. Nach einer Weile und einigen weiteren Bussen mit Ein-Mann-Betrieb gab ich auf und setzte mich Richtung Süden in Marsch, grob in Richtung Kilburn, wo mein Halbbruder Zeb lebte (ich studierte beim Gehen meinen Stadtplan und entschied, daß ich die A503 nehmen würde, sobald ich auf sie traf). Schließlich begegnete ich jedoch einem altmodischen Bus mit einer offenen hinteren Plattform, der in die richtige Richtung fuhr. Ich fand die nächste Haltestelle für die betreffende Linie und wartete.
    *
    Ein Bus kam. Ich sprang auf und stieg hinauf zum oberen Deck. Leider waren die vier Sitze ganz vorn schon besetzt. Ich entschied mich für die Reihe dahinter, legte mein hölzernes Sitzbrett hin und setzte mich. Noch im Auto auf dem Zug hatte ich die obersten vier Pfund von meiner Geldscheinrolle gezogen und in die Innentasche meiner Jacke gesteckt; als der Schaffner kam, hielt ich ihm eine Pfundnote hin und sagte: »Bittschön, ein Fahrkarte nach Enfield.«
    »Was soll das denn sein?« fragte der Schaffner, als er meinen Geldschein nahm und anguckte.
    Ich bedachte ihn mit einem bösen Blick; es war ein kleiner, unscheinbarer Mann mit einer dicken Brille. »Das eins von Ihr Pfund«, erklärte ich ihm mit ausländischem Akzent.
    »Das ist keins von unseren, Jungchen.«
    »Ich denke wohl.«
    »Nee, das ist Spielgeld.«
    »Es ist Währung von dieses Land, glauben ich.«
    »Was?« Er hielt den Geldschein gegen das Licht. »Nee, guck mal; der ist doch schottisch, oder? Das hier ist ein alter schottischer Einer. Wo hast du den denn her? Hast du den aus deiner Sparbüchse? Nee, Jungchen«, sagte er und reichte mir den Geldschein zurück. »Komm schon; ich hab nicht den ganzen Tag Zeit; wo wolltest du noch mal hin?«
    »Enfield, bittschön.«
    »Enfield?« rief er lachend aus. »Meine Güte, du hast dich wirklich mächtig verfranst, was? Da fährst du aber in die falsche Richtung, Jungchen… oh, tut mir leid, du bist eine Miss, stimmt’s? Hab ich nicht sehen können, wegen dem Hut. Hätt wissen müssen, daß du ein Mädchen bist, wo du den Hut im Bus aufbehalten hast, stimmt’s? Aber egal, wie ich schon sagte – du fährst in die falsche Richtung, Herzchen.«
    »Bittschön, was?« sagte ich und schaute verwirrt drein.
    »DU FÄHRST IN DIE FALSCHE RICHTUNG«, sagte er laut. »Du mußt an der nächsten Haltestelle aussteigen – guck mal, da sind wir schon. Steh auf… komm mit, steh auf, ja, du da… so ist’s richtig.« Ich stand auf und ließ mich von dem Mann zur unteren Plattform führen, als der Bus abbremste. »Wir setzen dich hier ab… Siehst du die Haltestelle da drüben? Nein, nein, auf der anderen Straßenseite, Herzchen. Genau. Das ist die Haltestelle nach Enfield, ja? Du nimmst den Bus da drüben, der fährt nach Enfield, ja? Also, dann mal los. Und paß auf dich auf. Tag noch!« Er läutete die Glocke und verschwand kopfschüttelnd wieder zum oberen Deck, während der Bus weiterfuhr.
    Ich blieb grinsend stehen und wartete auf den nächsten Bus.
    *
    Über die nächsten zwei Stunden legte ich eine kürzere Strecke zurück, als ich zu Fuß hätte schaffen können. Zweimal – nur kurz bevor der Schaffner kam, um mein Geld zu nehmen – stieg ich aufgrund der hoffnungslos verstopften Straßen näher an der Haltestelle, an der ich eingestiegen war, denn an der nächsten, wieder aus. Schließlich stieg ich in einen Bus und begegnete demselben Schaffner, den ich auf meiner ersten Fahrt getroffen hatte.
    »Da hol mich doch der Teufel, Herzchen; bist du immer noch unterwegs?«
    Ich sah ihn verständnislos an, während ich verzweifelt überlegte, was ich ihm erzählen sollte. »Das hier Enfield, bittschön«, brachte ich schließlich mühevoll heraus.
    Er führte mich persönlich über die Straße zur gegenüberliegenden Haltestelle.
    Ich gab mich geschlagen und marschierte zu Fuß zum Grand Union Canal. Ich stapfte den Treidelpfad entlang nach Maida Vale, dann in nordwestlicher Richtung zu dem Haus an der Brondesbury Road, in dem mein Halbbruder Zeb wohnte.
    Der Keller und das Erdgeschoß des dreigeschossigen Eckhauses waren mit Brettern vernagelt, und ich mußte nach hinten rum gehen und ein Wellblech beiseite schieben, um Zugang zum Hinterhof zu erhalten. Ich hämmerte gegen die Hintertür. Nach einer Weile rief eine Stimme von oben.
    »Ja?«
    Ich trat ein paar Schritte zurück und blickte

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