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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Schenkel. Zuweilen kann ich recht schamlos sein.
    Cimmeria lachte und stieß ihre Tür auf. »Komm rein. Du mußt das Chaos entschuldigen; es ist noch etwas früh für mich.«
    »Ich bezweifle, daß es mit dem Chaos mithalten kann, das letzte nacht in dem besetzten Haus herrschte, in dem ich während meines Aufenthalts in London wohne…« bemerkte ich und leistete ihrer Einladung Folge.
    *
    Zwanzig Minuten später traf ich Boz und Zeb in demselben Café, in dem Zeb und ich schon tags zuvor eingekehrt waren. Die beiden schienen unversehrt und guter Dinge. »Alles in Ordnung, Freunde?«
    »Ja. Klar. Cool. Bei dir?«
    »Bei uns ist alles okay, I-sis.« Ich brachte Bruder Zebediah dazu, ein Stück zu rutschen, und setzte mich zwischen die beiden. »Ich habe mit einer sehr netten Dame Tee getrunken, die Cimmeria genannt wird, aber eigentlich Gladys heißt«, erklärte ich Boz und Zeb. »Sie hat mir erzählt, daß Mr. Leopold tatsächlich Morags – Fusilladas – Agent und Manager ist und daß er gestern noch hier gewesen sei, aber Probleme bekommen hat, mit… der Steuerfahndung?« Ich blickte fragend von einem zum anderen.
    »Steuerfahndung.« Boz nickte bedächtig, dann trank er vorsichtig einen Schluck Kaffee. »Das Finanzamt, I-sis.« Er schüttelte den Kopf, augenscheinlich mit dem Konzept vertraut.
    »So ist es«, sagte ich. »Nun, anscheinend hat Mr. Leopold nun schon seit geraumer Zeit Schwierigkeiten mit diesem Finanzamt und ist derzeit der Steuerfahndung bei ihren Ermittlungen behilflich.«
    »Hmm. Nun. Und?« sagte Zeb.
    »Und«, fuhr ich fort, »Cimmeria – Gladys – hat mir erzählt, sie glaube, Mr. Leopold wohne in der Grafschaft Essex, in einem Ort namens Gittering, in der Nähe von Badleigh, und sie vermutet, daß er sich mit einer Anzahl von Papieren und Akten, die er zuvor in seinem Büro aufbewahrte, dorthin zurückgezogen hat. Sie schlägt vor, wir sollten es dort versuchen. Was meint ihr?«
    »Essex?« sagte Zeb mit einem Gesichtsausdruck, der – wenn man bedachte, daß wir gerade in einem Café im Herzen Londons saßen – vielleicht besser auf das im gleichen Tonfall ausgesprochene Wort »Mongolei?« gepaßt hätte.
    »I-sis, glaubst du wirklich, daß deine Cousine da ist?«
    »Nun«, erwiderte ich, »anscheinend wurden einige der Szenen für eine Reihe von Fusilladas Filmproduktionen in Mr. Leopolds Haus dort aufgenommen, einem Haus namens La Mancha. Cimmeria – Gladys – weiß das, weil einige Freunde von ihr ebenfalls dort waren und bei den Szenen mitgespielt haben. Also, da Morag nicht mehr in der Wohnung in Finchley wohnt, halte ich es nicht für unmöglich, daß sie dort ist, auch wenn wir natürlich keine Garantie dafür haben.«
    Boz überlegte. Er wirkte sehr groß und stämmig in seiner weiten schwarzen Hose und seiner teuer aussehenden schwarzen Lederjacke. Er trug eine schwarze Mütze mit Schirm; er hatte sie verkehrt herum aufgesetzt, so daß Leute hinter ihm den weißen Buchstaben X lesen konnten. »Scheiß drauf«, sagte er schließlich. »Ich hatte heute sowieso nichts vor. Und ich habe tolle Geschichten über die Mädels in Essex gehört!« Er versetzte Bruder Zebediahs Arm an mir vorbei einen spielerischen Fausthieb; Zeb schaukelte auf seinem Stuhl und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Er zwang sich zu einem Lächeln, während er sich den Arm rieb.
    »Vermutlich. Ja. Scheiße. Essex. Mist.«
    »Laßt es uns angehen!« rief ich und sprang auf. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, Zebs Ellenbogen anzustubsen. Zeb sah erschreckt aus und starrte besorgt seinen Ellenbogen an. Boz verschluckte sich an seinem Kaffee.
    *
    Wir fuhren mit dem Bus zum Liverpool-Street-Bahnhof und von dort mit dem Zug nach Badleigh. Da ich nicht geahnt hatte, daß wir die Hauptstadt verlassen würden, hatte ich mein Sitzbrett nicht mitgenommen, also standen Zeb und ich im Gang neben Boz’ Sitzplatz. Boz las eine Zeitung mit Namen Mirror. Ich vertrieb Zeb die Zeit, indem ich ihm Passagen aus der Orthographie vorlas und ihn aufforderte, aus dem Gedächtnis aufzusagen, wie es weiterging. Er erwies sich als erschreckend schlecht darin, obgleich das auch daran gelegen haben mochte, daß die Vervollständigung der Textstellen es notwendig gemacht hätte, in Sätzen von mehr als einem Wort Länge zu sprechen, und er diese Gewohnheit offenbar abgelegt hatte.
    Irgendwann während der Fahrt, als Boz für »’ne schnelle Lulle« auf der Toilette war (ein Ausdruck, den ich als jamaikanischen Slang für

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