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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Schamlippen seiner Freundin. Ich sollte ihm das direkt über seinen Schwanz tätowieren, damit er sie sehen konnte, wenn er sich einen runterholte.«
    Niels räusperte sich. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, wenigstens aber eine Reaktion, doch die blieb aus. Es geschah nichts. Der Tätowierer sagte kein Wort.
    »Was meinen Sie?«, fragte Niels.
    »Woher haben Sie das?« Der Mann nahm seinen Blick nicht von dem Foto, als er endlich das Schweigen brach.
    »Können Sie erkennen, was es darstellt?«
    Keine Antwort. Niels versuchte es noch einmal:
    »Was ist das?«
    »Keine Ahnung, aber …«
    »Aber was?« Niels konnte seine Irritation kaum verbergen. »Sagen Sie doch was. Wie lange würde es dauern, so etwas zu tätowieren?«
    Endlich hob der Tätowierer den Kopf und sah ihn an.
    »Sie verstehen da etwas falsch. Das hier ist keine Tätowierung. Das ist unmöglich.«
    »Keine Tätowierung?«
    Der Tätowierer schüttelte den Kopf und stand auf. »Die Striche sind ganz einfach zu fein. Außerdem ist da jede Menge weiße Farbe, und das macht man so gut wie nie bei einer Tätowierung.«
    »Aber wenn das keine Tätowierung ist, was ist es dann?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. Das war nicht sein Problem.

28.
    28.
    Helsingør
    Auf den Feldern lag Raureif, die Bäume am Horizont glichen Skeletten. Alles war verlassen. Die Landschaft glich einer Explosion aus Grau, ein stimmungsvoller Anblick, hatte man einen Sinn für Melancholie. Fehlte einem dieser, war alles einfach nur trist. Dann galt es, das Weite zu suchen – wie Kathrine es getan hatte.
    Niels hatte die Straße für sich. Er fuhr schnell. Bog von der Landstraße auf den schmalen Schotterweg, parkte direkt am Haus und stieg mit dem Karton unter dem Arm aus.
    Als er anklopfen wollte, sah er sie unten auf dem Steg stehen. An exakt dem selben Ort wie beim letzten Mal. Er ging zu ihr hinunter. Sie hörte ihn, drehte sich aber nicht um.
    »Wollten Sie nicht verreisen?«
    »Das ist vertagt. Schon was gefangen?«
    »In dem See sind keine Fische.« Jetzt sah sie ihn an. »Aber angeblich soll es hier vor Fischen nur so wimmeln.«
    »Aber sie beißen nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Vermutlich riechen sie die hier.« Sie hielt ihre Zigarette hoch. »Aber das Angeln ist auch bloß Teil eines Projekts.«
    »Eines Projekts?«
    »Ja, ein Projekt, das zum Ziel hat, nur Dinge zu tun, die ich nicht getan habe, als mein Sohn noch lebte.«
    Ihre Stimme war unverändert. Kein Zittern, kein Anflug von Tränen, und das machte ihm Angst. Denn wenn die kühle Reserviertheit irgendwann zusammenbrach, geschah dies mit unbändiger Kraft. Oft rissen diese Menschen dann andere mit in die Tiefe – das wusste er aus eigener Erfahrung.
    ***
    »Ich weiß, hier drinnen ist es kalt.« Sie drehte den Thermostat auf. »Das war mit das Letzte, was Gustav gesagt hat, bevor er nach Kanada gegangen ist: Wir müssen die Heizung nachsehen lassen. Danach war er weg.«
    Sie klang nicht verbittert, sondern sachlich konstatierend. »Sie haben einen Haufen Morde mitgebracht.«
    »Ja.«
    »Ist der zu stark?«
    »Der Kaffee? Nein.«
    »Ich mag den am liebsten so wie Teer.«
    Niels öffnete den Karton und legte den dicken Stapel Blätter vorsichtig auf den Tisch.
    »Und das ist aus Venedig gekommen?«
    »Von Tommaso di Barbara. Dem Polizisten, mit dem Sie gesprochen haben. Er hat das heute Morgen geschickt.« Niels setzte sich an den Tisch.
    »Haben Sie es gelesen?«
    »Ein bisschen davon. Es ist eine minutiöse Auflistung von allem, was man über die Opfer weiß. Ihre Leben, ihre Aufenthaltsorte und ihre Tätigkeiten. Und natürlich alles über ihren Tod. Zeit, Ort und Umstände. Es sind …« Niels blätterte durch den Stapel und warf einen Blick auf die letzte Seite, »… zweihundertzwölf Seiten über Leben und Tod. Einiges davon ist via Google von Italienisch auf Englisch übersetzt worden. Aber nicht alles.«
    »Verstehe.« Sie lächelte kurz.
    »Aber erst müssen Sie das hier sehen.« Niels suchte ein Foto heraus, das den Rücken eines Opfers zeigte, und legte es auf den Tisch.
    »Was ist das?«
    »Vladimir Zjirkovs Rücken. Alle Opfer haben ein Mal auf dem Rücken. Eine Tätowierung oder ein Zeichen.«
    »Das gleiche Zeichen?«
    »Ich glaube schon. Tommaso meinte, es seien Zahlen, aber das stimmt nicht.«
    Hannah kniff die Augen zusammen. Vielleicht war sie skeptisch, vielleicht nur verwundert. Sie zog eine Schublade auf und nahm eine Brille heraus, die sie an einer Tankstelle gekauft hatte, +

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