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Die Auserwählten

Die Auserwählten

Titel: Die Auserwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Hannah fuhr fort:
    »Rømer nahm eine Waage und eine Karte der Stadt und … danke.« Die Kellnerin reichte ihr die Schere und die Melone. »Und dann begann er auszuschneiden.«
    Hannah begann, die Papiertischdecke zu zerschneiden. Niels bemerkte das Pärchen am Nachbartisch, das verwundert zu Hannah herüberschaute.
    »Rømer hat einfach den bebauten Teil aus der Karte ausgeschnitten und ihn auf die eine Waagschale gelegt und den nicht bebauten auf die andere.«
    Niels lächelte. »Und was schneidest du da aus? – Ich finde, wir sollten das Sie mal lassen, einverstanden?«
    »Gern. Sieht das hier wie Afrika aus?« Sie hielt ein Stück Papier in die Höhe.
    »Mit etwas gutem Willen.«
    »Ja, Südafrika ist vielleicht etwas schmal geraten. Aber Australien und Süd-und Nordamerika sind doch zu erkennen, oder?«
    »Du hast die Kontinente rausgenommen?«
    »Nein, das Wasser. Die Ozeane. Es sind nur noch die Kontinente übrig. Den Rest habe ich weggeschnitten.« Sie legte die Papierstücke wie ein Puzzle zusammen.
    »Hannah?« Niels wartete darauf, dass sie den Blick hob und ihm in die Augen schaute. »Ich habe seit der Mittelschule weder Physik noch Mathematik gehabt. Du musst etwas langsamer vorgehen. Also: Du hast eine Karte genommen und die Kontinente ausgeschnitten. So viel habe ich verstanden. Und die Ozeane hast du weggeschmissen?«
    »Ja.«
    »Aber warum? Wofür soll das gut sein?«
    »Habe ich dir das nicht am Telefon gesagt? Wir müssen zurück in der Zeit, Niels. Weit zurück. Bis in die Zeit, in der die Kontinente entstanden sind. Als die ersten Mehrzeller entstanden sind.«
    Niels starrte sie an.
    »Es geht um Plattentektonik. Kontinentalplatten, Ozeanische Platten und die unterschiedliche Masse von Granit und Basalt. Aber so genau müssen wir darauf jetzt nicht eingehen. Lass uns an einem anderen Ort anfangen.«
    »Gute Idee.«
    »Die Plattentektonik ist der Grund dafür, dass die Kontinente sich auf der Erde bewegen. Sie sind sozusagen in konstanter Bewegung. Dafür gibt es eine lange, nicht ganz einfache Erklärung, die ich dir erspare.«
    »Danke.«
    »Du musst aber wissen, dass die Kontinente aus Granit bestehen. Hast du schon mal etwas von Minik Rosing gehört?«
    Niels schüttelte den Kopf.
    »Ein grönländischer Geologe. Er hat die Theorie aufgestellt, dass der Granit der Erde aus einer Oxidation des Basalts entstanden ist und dass der Sauerstoff für diese Oxidation durch die ersten Photosynthese treibenden Bakterien bereitgestellt worden ist, die vor zirka 3,7 Milliarden Jahren entstanden sind.«
    Niels hob die Hände, als wollte er sich ergeben.
    Hannah dachte einen Augenblick nach. »Okay. Ich überspringe die Erklärung und komme direkt zu meiner Schlussfolgerung. Wenigstens zu einem wichtigen Teil davon: Die Kontinente sind eine Konsequenz des Lebens auf der Erde.«
    »Und das ist eine Schlussfolgerung?«
    »Nennen wir es lieber einen Ausgangspunkt. Sieh mal hier.«
    Niels sah zu, wie sie die ausgeschnittenen Kontinente wie ein Puzzle zusammenlegte. Das junge Paar am Nebentisch hatte inzwischen jeden Versuch aufgegeben, sein Interesse nicht zu zeigen.
    »Das Ganze hat ja mal zusammengehangen. Unten, rings um den Südpol. Die Kontinente lagen damals in etwa so. Nein, lass es mich zeichnen.« Sie holte einen schwarzen Filzschreiber aus der Tasche und begann, die zusammenhängenden Kontinente auf die Melone zu zeichnen. »So lagen sie etwa um den Südpol herum.«
    Niels sah Hannah an. Seit er sie das erste Mal gesehen hatte, hatte sie immer Nervosität ausgestrahlt, durch die Art, wie sie sich bewegte, wie sie ging; doch jetzt schien diese Nervosität vollkommen verschwunden zu sein.
    »Etwa so sah die Welt vor einer Milliarde Jahren aus.« Sie hielt die Melone hoch.
    »Als die Kontinente noch zusammenhingen?«, sagte Niels.
    »Genau. Das ist heute eine ziemlich anerkannte Theorie, dabei ist es nicht einmal hundert Jahre her, dass ein deutscher Astronom diesen Zusammenhang erkannt hat – im wahrsten Sinne des Wortes. Und es hat Jahre gedauert, bis ihm jemand geglaubt hat.«
    Niels starrte auf die Melone.
    »Willkommen in einer neuen Welt.« Sie blickte auf und sah ihn an. »Lass uns für eine Weile in eine Welt namens Rodinia reisen.«

55.
    55.
    Niels hatte seine Jacke abgelegt. Das Café füllte sich langsam mit hungrigen Studenten.
    »Das Wort Rodinia stammt aus dem Russischen und bedeutet Mutterland. Und genau das ist es, was dieser Superkontinent Rodinia tatsächlich war: die Mutter aller

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