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Die Auserwahlte

Die Auserwahlte

Titel: Die Auserwahlte
Autoren: Vampira VA
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seine Pflicht war.
    Sondern weil er es allem, woran er ein Leben lang geglaubt und für das er gearbeitet und vieles geopfert hatte, schuldig war.
    *
    Jacob Flannagan beglückwünschte sich zu seiner Gewohnheit, seine Sachen erst vor dem Zubettgehen aus dem Koffer zu räumen. So konnte er sich jetzt das Einpacken ersparen.
    Keine Minute länger als unbedingt nötig wollte er in Saint Catheri-ne's verweilen und womöglich Gefahr laufen, sich noch ärgere Ungeheuerlichkeiten gefallen lassen zu müssen. Nein, seine Aufgabe war mit der Meldung der Vorfälle beendet, und deshalb würde er sich dieser Aufgabe schnellstmöglich entledigen.
    Der Monsignore nahm seinen Koffer und trat hinaus auf den Gang. Er sah nach links und rechts, entdeckte niemanden und dachte einen Augenblick lang daran, die Ehrwürdige Mutter über seine Abreise zu informieren. Doch dann ließ er den Gedanken fahren. Nein, wer wußte schon, womit sie ihn noch beleidigen würde, wenn er ihr noch ein weiteres Mal gegenübertrat.
    Eilig lief er den Flur hinab zur nächsten Biegung, vorüber an Stellen, denen selbst im flackernden Kerzenschein anzusehen war, daß dort Kruzifixe und Bilder abgenommen worden waren.
    Die Flammen der Kerzen tanzten im Luftzug, den er im Vorübergehen verursachte, und sie warfen seinen eigenen Schatten grotesk verzerrt an die Wände.
    Flannagan ertappte sich dabei, wie er sich von diesen Gestalten aus Licht und Schatten, die doch nichts anderes waren als er selbst, beobachtet und verfolgt fühlte und seine Schritte noch beschleunigte, als könnte er ihnen damit entkommen.
    »Grundgütiger, was ist nur aus diesem Ort geworden«, flüsterte er. Doch selbst der kaum hörbare Ton genügte, geisterhafte Echos in den Fluren zu erzeugen, die dem Monsignore folgten, scheinbar nie mehr abreißen wollten und ihm alsbald vorkamen, als würden seine Schattenbilder sie ihm zuwispern.
    Grundgütiger-gütiger-gütiger...
    Waswaswaswaswas ...
    Istististist...
    Flannagan rannte, ohne es zu merken. Die Zahl der Schatten schien zu wachsen, und wenn er von einer flackernden Lichtinsel in die nächste trat, schienen ihn die dunklen Gestalten zu überholen, wischten über den Boden zu seinen Füßen, als wollten sie ihn zum Straucheln bringen .
    ... und dann blieb der Geistliche stehen, als wäre er tatsächlich auf ein Hindernis getroffen.
    Als die Schatten nicht länger gestaltlos blieben.
    Als sie ihm wirklich den Weg vertraten.
    Einen irrigen Moment lang glaubte der Monsignore tatsächlich, die Schatten wären zu Körpern geworden. Und er mußte zwei-, dreimal blinzeln, um die Wahrheit zu erkennen.
    Es waren die Schwestern.
    Sie tauchten vor und hinter ihm auf, traten aus Türen und Nischen und um Ecken hervor, musterten ihn stumm und lächelnd und bewegungslos. Und doch war etwas in ihrer bloßen Gegenwart, das ihm verriet, daß sie aus keinem anderen Grund gekommen waren als um ihn aufzuhalten.
    Um ihn daran zu hindern, daß er ihr Geheimnis verriet.
    »Was soll das?« preßte er hervor, und er wunderte sich, daß er Mühe hatte, seine Furcht zu verbergen. Furcht - vor ein paar Nonnen?
    Flannagan wünschte sich, er hätte darüber lachen können. Er hätte es getan. Er hätte den Schwestern lachend ins Gesicht gesagt, wie widerwärtig und unwürdig er fand, was sie hier trieben .
    . doch die Angst - echte, namenlose, grauenhafte Angst wovor eigentlich? - ballte sich in seiner Kehle zu einem eisigen Kloß, der ihm selbst das Atmen schwermachte.
    Die schwarzgewandeten Schwestern schwiegen weiter, sahen ihn nur an. Doch in die Gruppe vor ihm geriet jetzt zumindest Bewegung, und der Geistliche spürte allein deshalb einen Anflug von Erleichterung. Der allerdings nur so lange währte, bis er sah, weshalb die Nonnen auseinandertraten. Sie schufen ein Spalier, durch daß sie einherschritt.
    Sie - die Mutter des Kindes.
    Mit ihrem Balg auf dem Arm.
    Einer dunklen Königin gleich, und in ihrem Gefolge die Ehrwürdige Mutter, kam sie stolz erhobenen Hauptes näher. Ihr Lächeln war unverändert, doch in ihren Augen sah Flannagan einen harten Glanz. Und dieser Anblick genügte, ihn wissen zu lassen, wovor er sich fürchtete.
    Es war nichts Geringeres als der Tod.
    »Laßt mich durch«, verlangte er. Die Härte, die er in die Worte hatte legen wollen, gerann zu Lächerlichkeit. Es klang wie klägliches Flehen, und nichts anderes war es.
    »Bitte, laßt mich gehen«, bat er, und das Zittern seiner Knie hätte ihn beinahe noch zu Boden gehen lassen.
    Etwas
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