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Die Auserwahlte

Die Auserwahlte

Titel: Die Auserwahlte
Autoren: Vampira VA
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lag in der Luft, wie ein tatsächlich spürbares Gewicht, das er allein zu tragen hatte und das seine Kräfte überstieg.
    Sein Blick ging hin und her, streifte jede der Ordensschwestern, dann die tanzenden Schatten an den Wänden, und blieb schließlich wieder an der Mutter des Kindes hängen.
    Und sie sprach mit harter Stimme, die ihr Lächeln als das erscheinen ließ, was es wirklich war - eine Maske, mit der das Böse sich tarnte: »Du willst zerstören, was hier im Wachsen begriffen ist. Das werden wir nicht zulassen.«
    »Ich verspreche Euch, daß ich vergessen werde, was hier geschieht, was ich gesehen habe«, wimmerte Flannagan und schämte sich vor sich selbst für jedes einzelne dieser jammernden Worte.
    »Nein«, entgegnete Mariah. »Wir sind nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Zu wichtig ist, was hier geschieht.«
    »Bitte .«
    Der Geistliche senkte das Haupt, und als er schließlich den Blick wieder hob, merkte er, daß nun auch das Kind ihn ansah. Die starren Augen dieses winzigen Wesens hingen an ihm, und der Ausdruck darin übertraf die Kälte in denen seiner Mutter.
    Es war nicht einfach nur etwas Frostiges, das Flannagan daraus traf; es war vielmehr ein echter Hauch, der sich binnen weniger Lidschläge zu einem spürbaren Wind auswuchs und hörbar durch den Gang strich. Die Kerzenflammen flackerten heftiger, und die Schatten an den Wänden vollführten regelrechte Sprünge - - und sie mehrten sich!
    Zunächst glaubte Jacob Flannagan noch an eine Täuschung, weil nichts in der Nähe war, das solche Schatten werfen konnte. Es waren keine menschlichen Schattenbilder, die da beiderseits über die Wände huschten, geduckt und lang, auf vier schlanken Beinen ...
    Der Geistliche kniff die Augen zu, zweimal, dreimal, und erreichte damit nur, daß er nicht mehr nur sah, was nicht sein konnte, sondern es auch noch hörte!
    Heiseres Knurren, Hecheln, und dazwischen immer wieder ein langgezogenes Heulen, das sich an den Mauern brach und in tausend Echos zersplitterte, so daß es von überall her auf ihn einzustürmen schien.
    Als heulten rings um ihn her mehr als ein Dutzend - - Wölfe?
    Jene Wölfe, deren Schatten er dort auf den Wänden sah, die um ihn herum schlichen, als warteten sie auf den günstigsten Moment zum Angriff?
    Der Moment kam.
    Schnell.
    So schnell, daß Flannagan nicht einmal mehr an Flucht denken konnte.
    Die Schatten lösten sich aus der Zweidimensionalität heraus, gewannen Kontur und Gestalt - und stürzten sich auf ihn!
    Einen Augenblick lang versuchte sich der Geistliche noch mit aller Macht einzureden, daß es einfach nicht sein konnte! Sein Glaube, in langen Jahren regelrecht gestählt, mußte doch stärker sein als diese Trugbilder, als etwas, das nichts anderes sein konnte als eine Ansammlung unmöglicher Schatten!
    Doch der Schmerz belehrte ihn eines besseren.
    Zähne und Klauen, die er für gestaltlos halten wollte, gruben sich in sein Fleisch und zerrissen es. Er konnte hören, wie sie Muskeln und Sehnen durchtrennten, obwohl er meinte, seine Schreie müßten alles andere schlichtweg ersticken.
    Ihre zuschnappenden Kiefer brachen knirschend seine Knochen, und schon nach Sekunden wünschte sich Jacob Flannagan nur noch eines: daß es bitte, bitte schnell vorbei sein möge!
    Doch die Wölfe ließen so lange Leben in ihm, bis er durch blutige Schleier einen letzten Blick auf das Kind geworfen hatte - - und das glucksende Lachen in seinem rosigen Gesichtchen sah und vernahm, mit dem es ihn in den Tod schickte.
    *
    Der Ort schien Abraham aus der Ferne besehen wie ein gewaltiges dunkles Loch, das ein Riese in den Wald gegraben hatte. Erst im Näherfliegen schälten sich kantige Umrisse aus der Nacht, die ihm nur deshalb auffielen, weil sie schwärzer als die Finsternis waren.
    Als würde das Licht sich weigern, die Mauern auch nur anzurühren.
    Schon seit einer ganzen Weile glaubte Abraham, daß jeder Schlag seiner ledrigen Schwingen doch endlich den allerletzten Rest seiner Kraft aufzehren mußte, und trotzdem gelang ihm immer noch ein weiterer und noch einer und noch einer .
    Er wußte nicht, was ihn immer wieder stärkte und immer nur gerade soviel, daß er noch ein Stückchen durchhielt. Er merkte nur, daß es ihm leichter fiel, je näher er dem Ziel kam. Als befände sich dort etwas, das ihn selbst über die Entfernung mit Kraft versorgen konnte.
    Wie mußte es erst sein, diesem Etwas, dieser Quelle gegenüberzutreten?
    War das der Grund, weshalb es ihn gerufen hatte? Wollte
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