Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
gerade den Lauf der Geschichte verändert.«
    »Sie wird sich sogar noch mehr verändern, wenn Andrea von einem Bären gefressen oder von einem Indianer skalpiert wird«, knurrte
     Jonas mit zusammengebissenen Zähnen.
    Die beiden stolperten hinter Andrea her. Sie schwankten fürchterlich, liefen gegen Äste und stießen aneinander. Jonas blieb
     stehen, um sein Sweatshirt auszuziehen, weil er hoffte, dass es besser klappen würde, wenn ihm weniger heiß war.
    Es blieb trotzdem heiß. Die Luft um sie herum war so dick und schwer, dass Jonas fast meinte schwimmen zu müssen. Schon bald
     war auch sein T-Shirt klitschnass.
    Nichts davon schien Andrea etwas auszumachen.
    »Findest du es nicht irgendwie   … merkwürdig, dass   … Andrea gar keine Angst mehr hat?«, raunte er seiner Schwester zu. Es war schwierig, gleichzeitig zu gehen, zu reden und
     Andrea im Auge zu behalten, die inzwischen mehr oder weniger rannte.
    Katherine nickte und stolperte dabei. Sie blieb kurz stehen, um reden zu können, ohne hinzufallen.
    »Findest du es nicht komisch, dass   … na ja, HK weiß doch, wo wir gerade sind, oder?«, murmelte sie zurück. »Warum hat er dann noch keinen Ersatzdefinator fallen
     lassen?« Sie sah zu Jonas hinüber. Ihr Gesicht war angstverzerrt. »Oder glaubst du, dass wir durch den Verlust des Definators
     die Zeit beschädigt haben?«
    »Sag so etwas nicht«, fauchte Jonas. »Denk nicht einmal daran.«
    Doch der Gedanke hatte sich schon in seinem Kopf festgesetzt. Zeitreisende konnten in Beschädigte Zeit weder hinein- noch
     aus ihr herausgelangen. Ganz egal, wie gut sie Andrea auch helfen mochten, wenn sie Virginia Dares Zeitalter tatsächlich beschädigt
     hatten, bestand die Gefahr, dass sie hier tagelang festsaßen.
    Oder Wochen.
    Monate.
    Jahre.
    Für immer, dachte Jonas. Möglicherweise für den Rest unseres Lebens.
    Er zwang sich, an nichts anderes zu denken, als mit Andrea Schritt zu halten.
    Immer wieder verlor er sie aus den Augen und musste verzweifelt vorwärtsstürmen, um für einen kurzen Moment ihre Haare oder
     ihr Hemd zu entdecken, ehe sie wieder aus seinem Blickfeld verschwand. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass es hoffnungslos
     war. Er und Katherine hatte keine Chance, mit ihr Schritt zu halten.
    In diesem Augenblick blieb Andrea ganz unvermittelt stehen.
    »Warum kann sie sich nicht wenigstens hinter einem Baum verstecken, bis sie weiß, was vor ihr liegt?«, murmelte Katherine.
    Jonas sah, dass Andrea am Rand einer Lichtung stehen geblieben war. Er erwog sie anzurufen und ihr zu befehlen, sich zu verstecken,
     doch es schien ihm dasRisiko nicht wert zu sein. Es wäre, als riefe man einer Statue etwas zu, so erstarrt stand sie da.
    Jonas schlich weiter, Katherine neben sich. Sie erreichten einen riesigen Baum, der direkt hinter Andrea stand, und in stillem
     Einverständnis schaute jeder von ihnen auf einer Seite hervor.
    Was hat sie denn? Da draußen ist doch nichts!
    Das war Jonas’ erster Gedanke. Doch weil Andrea immer noch stocksteif und mit maskenhaft starrem Gesicht dastand, sah er noch
     einmal hin.
    Auf der Lichtung befanden sich   … Ruinen.

Fünf
    Was Jonas zuerst für ein paar umgestürzte Bäume gehalten hatte, die mitten auf der Lichtung lagen, waren in Wirklichkeit die
     Überreste eines hohen Zauns. War das der Zaun, den wir in der Szene gesehen haben, in der Virginia Dare geboren wurde?, fragte
     er sich. Ein Schauer überlief ihn von Kopf bis Fuß. Die Szene hatte so glücklich gewirkt, so voller Hoffnung, und nun war
     klar, dass alles zerstört war. Rostiges, verbogenes Metall, vielleicht die Überreste einer Rüstung, lag am Rand der Lichtung
     neben einem umgestülpten altmodischen Schrankkoffer, der halb verfault in einem Graben lag. Es gab keine Häuser mehr und keine
     Menschen. Kriechpflanzen wucherten über den letzten Zaunabschnitt, der noch halbwegs aufrecht stand, als hätten sie es sich
     zur Aufgabe gemacht, auch ihn niederzureißen. Kein Wunder, dass Jonas die Szenerie zunächst für einen Teil der Wildnis gehalten
     hatte: Sie würde schon bald wieder zur Wildnis gehören. »Daran kann ich mich gar nicht erinnern«, murmelte Andrea niedergeschlagen.
     Neben ihr winselte Dare, als sei auch er traurig.
    »Daran musst du dich auch gar nicht erinnern können, Andrea«, sagte Katherine rasch und hörte sich wiedereinigermaßen wie sie selbst an. Vielleicht funktionierten aber auch Jonas’ Ohren einfach wieder besser. »Bevor du nicht in
    

Weitere Kostenlose Bücher