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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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probierte er es noch einmal. »Aber keine Sorge, wir haben nicht damit gerechnet,
     dass es Spaß machen würde, dich vor Virginia Dares Schicksal zu retten. Wer weiß? Womöglich kommt ein richtiges Abenteuer
     dabei heraus.«
    Stirnrunzelnd sahen ihn die beiden Mädchen an.
    »Aber wo sind wir?«, fragte Andrea. »Und in welcher Zeit? Wir wissen überhaupt nichts.«
    »Doch, das tun wir«, sagte Katherine langsam und bedächtig. »Wir wissen, dass du den Code genau so eingetippt hast, wie es
     der Mann wollte. Also sind wir genau dort gelandet, wo er uns landen lassen wollte.«
    Alle drei blickten zum Wald zurück, aus dem sie gekommen waren. Die Bäume standen so still, dass es fast unheimlich war. Jonas
     betrachtete die Ruinen um sich herum: eingestürzt, zusammengebrochen, verlassen. Trostlos.
    Aber auch ruhig, sagte er zu sich. Friedlich
.
    Der Ort, an dem sie im fünfzehnten Jahrhundert gelandet waren, hatte zunächst auch ruhig und friedlich gewirkt. Bis die Mörder
     aufgetaucht waren.
    Ob wir vielleicht einem Mörder begegnet wären, der nach Virginia Dare sucht, wenn wir dort angekommen wären, wo HK uns hinschicken
     wollte?, überlegte Jonas. Oder ist es wahrscheinlicher, dass wir hier einem Mörder begegnen? Ist es das, was der mysteriöse
     Unbekannte will?
    »Ich wette, Gary und Hodge stecken hinter der ganzen Sache«, vermutete Katherine und sprach die Namen so aus, als würden sie
     bei ihr einen schlechten Geschmack im Mund hinterlassen. »Sie sind irgendwie aus dem Gefängnis entkommen oder haben jemanden
     bestochen oder   –«
    »Gary und Hodge hätten uns in die Zukunft geschickt«, wandte Jonas ein. »Wir wissen, dass das hier die Vergangenheit ist.«
    »Wissen wir das wirklich?«, fragte Andrea wehmütig. »Ganz sicher?«
    Sie tat Jonas leid. Inzwischen war ihr alles suspekt. Sie sah so traurig aus. Und trotzdem   … selbst mit den tränennassen Wangen, den Blättern im Haar und dem verlorenen Ausdruck im Gesicht sah sie immer noch besser
     aus, als Jonas sich fühlte. Auf jeden Fall gesünder.
    Das war’s. Wieder ein Hinweis.
    »Andrea?«, fragte er. »Die Zeitkrankheit hat dir nicht sehr zu schaffen gemacht, seit wir hier angekommen sind, nicht? So
     wie du aufgesprungen bist und sofort davonlaufen konntest?«
    Andrea dachte darüber nach.
    »Ja, du hast recht«, sagte sie. »Ich habe nicht richtig zugehört, als du es das erste Mal erwähnt hast, aber   … ich glaube nicht, dass ich überhaupt zeitkrank war.«
    »Und wie fühlst du dich im Augenblick?«, fragte Jonas und beeilte sich das zu erklären. »Ich meine damit nicht, ob du glücklich
     oder traurig bist, ängstlich oder nicht, sondern wie sich beispielsweise deine Lungen anfühlen. Oder deine Muskeln.«
    Forschend holte Andrea Luft. Sie spannte die Arme an, reckte sich und berührte ihre Zehen. Sie wirkte sehr konzentriert.
    »Sie fühlen sich   … gut an«, sagte sie und klang überrascht. »Vielleicht besser als je zuvor. Es fühlt sich alles
richtig
an. Als wir gelandet sind, dachte ich, das Gefühl käme daher, dass ich gleich meine Eltern wiedersehe. Aber jetzt   … jetzt ist es, als ob mein Körper immer noch findet, dass alles so ist, wie es sein soll.«
    Jonas sah seine Schwester an.
    »Chip und Alex haben sich im Jahr 1483 auch ›richtig‹ gefühlt«, sagte er.
    Katherine nickte.
    »Du meinst die Freunde, denen ihr beim letzten Mal geholfen habt?«, fragte Andrea. »Sie haben sich auch so gefühlt?«
    »HK sagt, dass sich die Leute in ihrem richtigen Zeitalter immer so fühlen«, erklärte Katherine. »Und das leuchtet mir ein.
     Ich habe mich im fünfzehnten Jahrhundert die ganze Zeit über unwohl gefühlt. Und seit wir hier angekommen sind, geht es mir
     auch nicht besonders. Es ist einfach nicht mein Zeitalter.«
    »Aber meins«, flüsterte Andrea verblüfft. Sie wandte sich ab und fuhr über die eingravierten Buchstaben auf dem umgefallenen
     Zaunpfahl, der vor ihr lag. »Das hier ist die Kolonie von Roanoke, einige Zeit bevor sie zu Staub zerfällt, irgendwann nach
     meiner Geburt, aber noch vor   … meinem Tod.«
    Es gefiel Jonas nicht, wie diese beiden Worte in der Luft hingen.
    »Wir werden nicht zulassen, dass du stirbst«, sagte er. Auch wenn es ihn große Mühe kostete, schaffte er es, aufzustehen.
     Mit den Augen suchte er den Wald in alle Himmelsrichtungen ab, als wäre er Andreas Leibwächter, der pausenlos auf sie aufpasste.
     »Wir hätten dich nicht sterben lassen, wenn wir dort gelandet

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