Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Gegenleistung für was?«, fragte Jonas. »Wovon redest du?« Er spürte, wie die Furcht von ihm Besitz ergriff. Seine Nackenhaare
     sträubten sich und er bekam eine Gänsehaut. Was immer Andrea ihnen gleich erzählen mochte, es würde schrecklich sein.
    Sie ließ seine Frage unbeantwortet.
    »Mir ist klar, dass es wahrscheinlich ziemlich dumm war, okay?«, sagte sie. »Und ich weiß auch, dass ich dem Mann nicht hätte
     vertrauen dürfen. Aber wenn es eine Chance gab, musste ich es doch versuchen! Versteht ihr das nicht?«
    »Was versuchen?«, fragten Jonas und Katherine wie aus einem Mund.
    Andrea sah zu ihnen auf und kämpfte gegen die Tränen.
    »Ich musste doch versuchen meine Eltern zu retten.«
    Jetzt war Jonas noch verwirrter als zuvor.
    »Du meinst, Mistress Dare und – wie heißt das noch mal? – Master Dare?«, fragte er.
    »Nein, meine
echten
Eltern. Die, die ich kannte.« Es schien Andrea wütend zu machen, dass Jonas sie nicht verstand. »In unserer Zeit. Dem einundzwanzigsten
     Jahrhundert.«
    Jonas begriff, was das Problem war: Andrea verstand das Konzept der Zeitreisen nicht.
    »Du musst dir um deine Eltern keine Gedanken machen, Andrea«, sagte er und hätte fast geschmunzelt, hielt sich aber zurück.
     Er wollte sie nicht dafür in Verlegenheit bringen, dass sie etwas nicht verstand. »Es geht ihnen gut. Sie warten auf uns,
     zu Hause im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wir müssen nur die Geschichte verlassen – aber diesmal auf die richtige Art   –, dann kannst du nach Hause zurück und sie wiedersehen. Ehrlich.«
    Jonas sprach mit dem gleichen beruhigenden Tonfall, den er als Hilfsmentor bei heimwehkranken Wölflingenim Pfadfinderlager angewandt hatte. Also wirklich! Wenn Andrea die ganze Zeit über so durcheinander gewesen war, warum hatte
     sie dann nicht einfach nachgefragt?
    Andrea schüttelte den Kopf.
    »Nein, Jonas«, stellte sie klar. »Meine Eltern warten im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht auf mich.«
    »Natürlich tun sie das«, widersprach Jonas. »Und das Tolle ist, dass du nur einen Sekundenbruchteil nachdem du aufgebrochen
     bist, wieder zurückkommst, daher werden sie gar nicht wissen, dass du fort warst.«
    »Kapierst du denn nicht?«, sagte Andrea. Sie klang jetzt nicht mehr wütend. Der Kummer in ihrer Stimme verdrängte alles andere.
     »Meine Eltern im einundzwanzigsten Jahrhundert sind tot.«

Neun
    Jonas und Katherine starrten Andrea mit offenem Mund an. Darauf wäre Jonas nie gekommen. Diese Möglichkeit war einfach zu
     schrecklich.
    »Es war ein Autounfall«, sagte Andrea. »Im letzten Jahr.«
    Sie klang jetzt taffer, brüsker, als hätte sie gelernt, nicht nur ihren Gesichtsausdruck, sondern auch ihre Stimme zu maskieren.
    »Das   –«, begann Katherine.
    »Sag nicht, dass es dir leidtut. Und auch nicht, dass du dir vorstellen kannst, wie es sich anfühlt«, sagte Andrea. »Das kannst
     du nämlich nicht.«
    Jonas versuchte es trotzdem. Wie war es wohl, Mutter und Vater zu verlieren? Beide auf einmal.
    »Du meinst deine Adoptiveltern?«, fragte er vorsichtig. »Die dich nach dem Zeitunfall zu sich genommen haben?«
    Er hoffte sie irgendwie falsch verstanden zu haben.
    »Ja, meine Adoptiveltern«, sagte Andrea ungeduldig. »Meine echten Eltern, das habe ich doch gesagt, oder nicht?«
    Jonas kämpfte weiter mit der Vorstellung, dass jemandmit dreizehn Jahren bereits zwei Paar Eltern verloren haben konnte. Katherine schniefte, als wollte sie stellvertretend für
     Andrea losheulen.
    »Ich spreche nicht gern darüber«, sagte Andrea. »Normalerweise lasse ich es, weil sich die Leute sonst
so
aufführen.« Mit einer vagen Handbewegung deutete sie auf Jonas und Katherine. Jonas versuchte sich ein wenig aufzurichten
     und ein normales Gesicht zu machen, was nicht einfach war.
    »Aber du hast es uns erzählt, weil   … weil es mit etwas zusammenhängt, das dieser Mann gesagt hat?«, vermutete Katherine, die immer noch verwirrt klang. »Irgendwas   … über den Definator?«
    Andrea nickte.
    »Er hat es mir versprochen«, wisperte sie. »Er hat gesagt, ich könnte zurückkehren und verhindern   …«
    Andrea brach ab, als erwarte sie, dass Jonas und Katherine von selbst darauf kamen. Doch Jonas konnte überhaupt nicht klar
     denken, solange er den Schmerz über Andreas Gesicht wandern sah.
    »Er hat gesagt, du könntest verhindern   …«, drängte sie Katherine. Dann schnappte sie nach Luft. »Oh, jetzt verstehe ich.« Und schon sprudelte es aus ihr heraus.
    

Weitere Kostenlose Bücher