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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gewusst. Aber ich dachte trotzdem   … ich hatte gehofft   …«
    Mit einem Mal war Jonas nicht mehr danach, sie dafür anzuschreien, dass sie den Definator verloren hatte und dass er und Katherine
     ihretwegen hier gestrandet waren, im   … jetzt, wo er darüber nachdachte, wusste er selbst nicht recht, in welcher Epoche sie sich befanden. Er sah wieder zu den
     Markerjungen und dem Markerreh hinüber. Während er, Katherine und Andrea sich angeschrien und geweint und aufeinander eingeredet
     hatten, waren die Markerjungen damit beschäftigt gewesen,die Überreste des toten Rehs zu verschnüren. Es hing nun an einem dicken Ast, den sie zwischen sich auf den Schultern balancierten,
     während sie davonmarschierten. Die Methode, mit der sie das Reh abtransportierten, erinnerte Jonas an eine Abbildung in einem
     Schulbuch. Allerdings konnte er sich nicht erinnern, dass in irgendeinem Geschichtsbuch unter einer Abbildung gestanden hätte:
     »Sollten Sie sich bei Reisen durch die Zeit verirren und beobachten, dass Menschen diese Technik anwenden, dann befinden Sie
     sich zweifelsohne im sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert und   …«
    Jonas hatte Fächer wie Gemeinschaftskunde beziehungsweise Sozialkunde, Geschichte und Geografie immer für mehr oder weniger
     sinnlos gehalten. Es war ein seltsames Gefühl, dass er sich jetzt wünschte, seine Lehrerinnen und Lehrer hätten ihm
mehr
beigebracht.
    »Also, Andrea«, sagte er sanft. »Als du den Definator umprogrammiert hast, auf was genau hast du ihn da eingestellt?«
    Andrea verzog das Gesicht.
    »Ich habe versucht, ihn auf letztes Jahr im Juni einzustellen, als ich nach Michigan ins Sommerlager fuhr, an dem ich immer
     teilnehme. Meine Eltern hatten mich gerade dort abgesetzt, als   …« Sie sprach nicht zu Ende. Es war auch nicht nötig.
    Juni, dachte Jonas. Sommerlager. Deshalb trägt sie Shorts.
    Es gefiel ihm, sich auf kleine Details wie diese zu konzentrieren, weil er sich dann auf nichts anderes konzentrieren musste.
    Aber Andrea war noch nicht fertig.
    »Ich dachte, dieses Mal könnte ich meine Eltern einfach fünf Minuten länger im Lager festhalten«, erzählte sie. »Ich wollte
     sie bitten, meinen Schlafsack auszurollen, oder ihnen erzählen, dass ich meine Zahnbürste vergessen hätte und sie mir eine
     neue besorgen sollten, oder mit ihnen zusammen zum See runterspazieren   … irgendetwas, um sie aufzuhalten und zu verhindern, dass sie auf dem Highway neben diesen Schwerlaster geraten.«
    Mehr wollte Jonas von der Geschichte gar nicht hören und Andrea schien es immer schwerer zu fallen, weiterzureden.
    »Schon gut, aber der Definator«, sagte Jonas. »Was genau hast du eingegeben? Juni – was? Und   … Michigan? Die Kolonie von Roanoke war aber nicht in Michigan, oder?«
    Katherine verdrehte die Augen.
    »Wie wär’s mit North Carolina?«, sagte sie.
    Jonas hätte furchtbar gern gesagt: Besserwisser kann keiner leiden, Katherine. Es wäre so schön, all seinen Frust, seine Sorgen
     und Ängste an ihr auszulassen. Doch ihr Gesicht war schon genauso blass, angespannt und besorgt wie das von Andrea. Jonas
     konnte jetzt nicht zum Angriff übergehen.
    Andrea schüttelte den Kopf.
    »Es war nicht so, wie ihr denkt«, sagte sie. »Ich sollte kein genaues Datum eingeben oder eine GP S-Adresse oder so etwas. Der Mann hat mir nur einen Code gegeben. Eine Zahlenfolge.«
    Und darauf bist du reingefallen?, wollte Jonas fragen. Aber wie konnte er das? Ihre Eltern waren tot.
    »Die Sache ist die«, fuhr Andrea fort, »ich habe mir die größte Mühe gegeben, den Code auswendig zu lernen. Ich habe so lange
     geübt, bis ich ihn vorwärts und rückwärts konnte, und ich weiß, dass ich ihn genau so eingetippt habe, wie der Mann es mir
     gesagt hat. Ich habe ihn dreimal überprüft, ehe ich auf ENTER gedrückt habe. Ich wollte doch unbedingt meine   …«
    Wieder ein Satz, den sie nicht beenden konnte. Sie saß einfach nur da und rührte sich nicht. Sie weinte nicht mehr, doch die
     Tränen glänzten noch nass auf ihren Wangen. In ihren Haaren hatten sich ein paar Schlingpflanzen verfangen.
    »Ist schon gut«, sagte Katherine sanft und tätschelte ihr die Schulter. »Das verstehen wir.«
    Andrea scheute vor ihr zurück.
    »Aber ich habe euch beide mit hineingezogen«, sagte sie.
    »Eigentlich nicht«, sagte Jonas und versuchte dabei einen scherzhaften Ton anzuschlagen. »Das haben HK und sein Zeitanalyst
     besorgt.« Es klappte nicht ganz, deshalb

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