Die Ausgesetzten
hat?«
»Für wen hältst du mich?«, entgegnete Jonas entrüstet. »Glaubst du, ich würde einen verletzten alten Mann mitten im Sturm
am Strand zurücklassen? Natürlich fasse ich mit an!«
»Danke«, sagte Andrea und lächelte ihn an. Obwohl ihr die Haare wild um den Kopf wehten, sah sie hübsch aus mit ihrem Lächeln.
Werde ich wieder ausgenutzt?, fragte sich Jonas. Wusste Andreas mysteriöser Unbekannter, dass ich so auf sie reagieren würde?
Wusste er, dass dieser Sturm aufziehen wird? Hat er ihn vielleicht verursacht?
Oder war er einfach paranoid, wie Katherine gesagt hatte?
»Also schön«, sagte diese. »Alle machen mit. Aber was sollen wir tun? Selbst wenn wir alle mit anpacken, glaube ich nicht,
dass wir ihn in das Indianerdorf schaffen können, und woanders können wir nicht hin.«
Unwillkürlich schauten alle drei zu den Markerjungen.
Auch sie sahen mit sorgenvoller Miene zum Himmel. Sie sprangen auf und nahmen einen anderen abgebrochenen Ast, der sich in
einen Marker verwandelte, sobald sie ihn bewegten, während der ursprüngliche Ast regungslos liegen blieb. Dieser Ast hatte
glatte, glänzende Blätter und mehrere große Gabelungen, dennochkonnten ihn die Markerjungen mühelos über den Boden ziehen. Als sie neben dem Markermann anlangten, betteten sie diesen behutsam
in eine Astgabel. Dann packten sie das andere Ende und zogen den Mann hinter sich her.
»Der letzte Schrei im Krankentransportwesen, so um die Tausend vor Christus?«, murmelte Katherine.
»Egal! Wir versuchen es!«, sagte Jonas.
Er rannte hin und packte das Ende des Astes, der jedoch nicht ganz so leicht war, wie es bei den Markerjungen den Anschein
gehabt hatte. Jonas musste ordentlich ziehen und zerren, bis er den Ast neben dem bewusstlosen Mann in Stellung gebracht hatte.
Und was die drei auch probierten, sie fanden keine bessere Lösung, als ihn mit dem Gesicht nach unten hinüberzurollen.
»Einer von uns muss neben ihm hergehen und ihn festhalten«, befahl Katherine.
Vor ihnen marschierten die Markerjungen mit festem Schritt davon, während der auf dem Ast hockende Mann hinter ihnen herglitt.
Bei Jonas, Katherine und Andrea war es eher ein Reißen und Zerren, wobei sie sich gegenseitig anraunzten: »Kannst du nicht
fester schieben?« und »Ich tue, was ich kann – schieb du doch fester.« Jonas’ Respekt vor den beiden Markerjungen wuchs gehörig.
Sie mochten dürr und ausgehungert aussehen, lächerliche Klamotten tragen und offensichtlich einer Kultur angehören, die das
Rad noch nicht erfunden hatte. Aber sie waren unglaublich stark. In Jonas’ Zeitalter hätten sie in irgendeinerDisziplin sicher schon mehrere Goldmedaillen gewonnen.
Jonas hätte nicht sagen können, wie nahe sie dem verlassenen Indianerdorf gekommen waren – ob sie die Hälfte der Strecke oder
drei Viertel des Wegs geschafft hatten –, als der Sturzregen einsetzte.
Unmöglich, hätte er am liebsten gesagt. Ich geb’s auf. Aber wie konnte er das, wenn Andrea und Katherine unablässig weiterschoben,
zerrten und zogen, obwohl ihnen das Wasser in die Augen lief, Zweige in die Arme piksten und ihre Schuhe im Schlamm versanken?
Also ließ auch er nicht locker.
Die Marker waren nur noch ein schwaches Glühen vor ihnen. Dann waren sie plötzlich gar nicht mehr zu sehen.
»Nein! Ich kann nicht –«, schrie Jonas. Der Regen schlug ihm ins Gesicht und schwemmte alles fort, was er hatte sagen wollen.
»Gehen wir in die gleiche Hütte«, raunte ihm Katherine direkt ins Ohr.
Die gleiche Hütte? Ach … Die Indianer sind in einer der Hütten im Dorf verschwunden, begriff Jonas. Deshalb kann ich sie nicht mehr sehen.
Mit einer letzten Kraftanstrengung zerrte er noch ein wenig fester. Dann ließ er den Ast fallen und sie zogen den Mann in
die dämmrige, aber trockene Hütte. Alle drei sackten auf der Stelle zusammen, es kümmerte sie nicht einmal, dass sie genau
auf die Markerjungen gefallen waren.
Sechzehn
Eine Weile lag Jonas einfach nur auf dem Boden der Hütte. Wenigstens prasselte der Regen nicht mehr auf ihn herab. Dafür taten
ihm vom Kampf gegen die Wellen und der Plackerei mit dem Ast die Schultern weh. Seine Beine hatten sich auf dem weiten Weg
an den nassen Jeans wund gerieben und das feuchte T-Shirt klebte ihm auf der Haut. Es war von Salzwasser durchtränkt und brannte in den zahlreichen Kratzern und Schnittwunden, die
er sich auf dem Weg über die Felsen zugezogen hatte.
»O Mann«,
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