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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich nach gar nichts an. Wie Luft. Staub. Leerer Raum. Jonas atmete den Markerrauch ein – so licht wie der Geist eines Geistes.
     Er hatte nicht einmal einen Geruch.
    Als alle Zweige und Holzscheite aufgeschichtet waren, stopfte er das Reisig und die Blätter als Anzündmaterial dazwischen.
     Dann suchte er den spitzen Stock, den der Markerjunge so lange gedreht hatte, bis genügend Reibung entstand, um die erste
     Flamme zu entzünden. Jonas rieb ihn zwischen den Handflächen, sodass zumindestseine eigenen Hände davon warm wurden. Er hielt sich dabei ständig das Bild des Markerjungen vor Augen, bei dem es – wie durch
     Zauberei – funktioniert hatte. In einem Moment hatte der Junge lediglich zwei Stöcke aneinandergerieben und im nächsten hatte
     er ein loderndes Feuer. Jonas versuchte nicht daran zu denken, wie es seiner Pfadfindertruppe ergangen war: Er und seine Freunde
     hatten es versucht und versucht und versucht, bis ihr Gruppenleiter schließlich die Streichhölzer herausgeholt hatte.
    Jetzt hatte er keine Streichhölzer. Und es gab keinen Plan B.   Er versuchte es weiter und weiter, lange über den Punkt hinaus, an dem er und seine Pfadfinderfreunde aufgegeben hatten.
    »Da!«, schrie Katherine und beugte sich dichter über die Feuerstelle, um genauer hinzusehen. »Du hast es geschafft!«
    Jonas richtete sich auf und nahm die Sache in Augenschein. Wenn dort eine Flamme gewesen war, hatte Katherine sie gerade ausgeblasen.
    »Bleib weg!«, befahl er ihr.
    Die beiden Markerjungen saßen an ihrem Feuer und starrten mit rätselhaftem Gesichtsausdruck in die Flammen. Wahrscheinlich
     spürten
sie
weder Nässe noch Kälte, obwohl sie mehr oder weniger nackt waren.
Sie
sorgten sich vermutlich auch nicht darum, dass der Mann, den sie aus den Wellen gezogen hatten, an einer Schmutzinfektion
     sterben könnte, und mit Sicherheit nicht darum, dass die Zeit irreparabel beschädigt worden war oder dass man sie in eine
     raffinierte Falle gelockt hatte.
    Obwohl er wusste, dass sie in ihr eigenes Feuer starrten und von seiner Gegenwart nichts ahnen konnten – weil es ihn in ihrer
     Zeit nicht gegeben hatte   –, beschlich Jonas das Gefühl, dass sie ihn beobachteten. Hinter ihren rätselhaften Mienen schien sich die Verachtung über
     sein Unvermögen, Feuer zu machen, zu verbergen.
    »Und ob ich es kann!«, murmelte Jonas und rieb die Stöcke noch schneller aneinander.
    Ein Blatt begann zu knistern und Qualm stieg auf, echter Qualm, kein geisterhafter Markerqualm. Ein winziges Flämmchen sprang
     von einem Blatt zum nächsten.
    »Whoo-hoo!«, jubelte Jonas. »Was sagen Sie dazu, Gruppenleiter Briggs! Das sollten Sie bei der Pfadfinderprüfung zur Aufgabe
     machen!«
    »Oh, gut!«, sagte Andrea und schenkte Jonas ein seltenes Lächeln. »Jetzt kann der Mann am Feuer trocknen.«
    »Wir können
alle
am Feuer trocknen«, verbesserte sie Katherine.
    Das Feuer war winzig und es gab kein trockenes Holz mehr, um es weiter anzufachen. Jonas hatte noch nie eine Mathematikaufgabe
     lösen müssen, in der X der Größe eines Feuers entsprach, Y die Geschwindigkeit darstellte, mit der Wasser verdampfte, und
     Z die Wahrscheinlichkeit, dass jemand überlebte, der fast ertrunken war, sich den Kopf angeschlagen hatte und im bazillenverseuchten
     Dreck lag, oder dass drei Kinder jemandem ein Schnippchen schlugen, der ihre Reise durch die Zeit sabotiert hatte. Ihm war
     klar, dass das Feuer keinen allzu großen Unterschied machen konnte. Trotzdemhatte er das Gefühl, dass es so war, dass sie jetzt alle eine Chance hatten.
    »Komm«, sagte er zu Andrea. »Ich helfe dir den Mann näher ans Feuer zu schieben, damit er sich schneller aufwärmt.«
    Jonas schob an der Hüfte, Katherine an den Schultern und Andrea bettete vorsichtig seinen Kopf um. Jonas war vor allem darauf
     bedacht, den Mann nicht ins Feuer zu schubsen, deshalb achtete er kaum auf andere Dinge. Er hatte völlig vergessen, dass die
     Markerjungen den Markermann direkt neben dem Markerfeuer abgelegt hatten, das sich an der gleichen Stelle befand wie Jonas’
     Feuer, und auch, was geschah, wenn sich eine Person mit ihrem Marker vereinigte.
    Er schob den Körper des Mannes noch ein kleines Stück vor und plötzlich erlosch das Leuchten des Markers. Der Mann war ganz
     und gar in die Umrisse seines Markers geschlüpft.
    Sein Gesicht nahm auf der Stelle Farbe an. Er bewegte die Lippen, auch wenn er die Augen weiter geschlossen hielt.
    »Habgierige Kaperer«, murmelte

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