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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auch etwas Richtiges zu essen.«
    Jonas war sich nicht sicher, wie die Ernährungsvorschriften von jemandem aussahen, der teilweise mit seinem Marker verbunden
     war und teilweise nicht. Er betrachtete die Melone in seiner Hand. Unabhängig davon, ob jeder von ihnen ein Drittel oder ein
     Viertel bekam, sie würde nicht reichen.
    »Bist du sicher, dass es nicht mehr davon gibt?«, fragte Katherine.
    Jonas fuhr durch die blassen, anämisch wirkenden Blätter und es entstand ein wogender Teppich aus noch blasseren Markerblättern.
    »Siehst du irgendwas, was ich übersehen habe?«, fragteer spitz. »Himmel, nicht mal eine komplette Markermelone ist noch übr-« Er brach ab und durchsuchte die Blätter noch einmal.
     Er hob das schleimige Blatt an, unter dem er die Melone gefunden hatte.
    Das Blatt selbst entwickelte auf der Stelle einen Marker, doch darunter befand sich keine Markermelone.
    Jonas schob die umliegenden Blätter beiseite. Er entdeckte die Überreste der verfaulten Melone, von der das Reh gefressen
     hatte. Ein schmaler Leuchtstreifen aus Markerlicht überzog die Oberseite, von der Jonas beim Berühren etwas abgestreift hatte.
     Doch von der kleinen grünen Melone, die er in der Hand hielt, gab es keinen Marker.
    »Sie dürfte gar nicht hier sein«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Katherine. »Vielleicht stammt sie nicht mal aus dieser
     Zeit. Ich habe sie von der Stelle bewegt und sie hat keinen Marker hinterlassen.«
    Er drehte die Melone um und um. Ihre Oberfläche war rau und gerippt bis auf eine Stelle, an der sich die Netzstruktur anfühlte,
     als habe man sie förmlich in die Schale geritzt.
    Nein, dachte Jonas. Das sind keine Furchen. Das sind Buchstaben. Worte.
    Er drehte die Melone um, sodass die Buchstaben richtig herum standen. Jetzt konnte er die grobe Schrift entziffern:

Zweiundzwanzig
    Jonas ließ die Melone fallen.
    »Die esse ich nicht«, sagte er.
    Katherine beugte sich so weit über seine Schulter, dass sie die Melone auffangen konnte, ehe sie auf dem Boden aufschlug.
    »Oh, da steht etwas«, hauchte sie. »Ist das ein Definator?« Sie hielt sich die Melone vor den Mund und brüllte los: »HK? Ist
     da irgendjemand? Hallo? Bist du da?«
    Nichts geschah.
    »Ein Definator würde wohl kaum mit der Aufforderung auftauchen, ihn zu
essen
«, wandte Jonas ein. »Außerdem stammt das Ding nicht von HK.«
    Katherine beugte sich noch dichter über die Melone und fuhr die Worte mit den Fingern nach.
    »Zwei?«, sagte sie. »Ist das ein Name?«
    »Scheint so«, sagte Jonas. »Glaubst du, es ist der Kerl, der Andrea angestiftet hat, den Code im Definator zu ändern?«
    Katherine warf einen Blick über die Schulter.
    »Andrea?«, rief sie. »Schau dir das an.«
    Andrea tätschelte ihrem Großvater den Arm undraunte ihm ins Ohr: »Bin gleich zurück«, dann kam sie herüber, um sich die Melone anzusehen.
    »Ist das   … normal?«, fragte sie und beäugte sie verblüfft. »Habt ihr so etwas im fünfzehnten Jahrhundert auch gesehen? Ins Essen geritzte
     Botschaften?«
    »O nein«, erwiderte Katherine.
    »Ich glaube, HK fände das nicht richtig«, sagte Jonas. »Es bringt die Zeit zu sehr aus dem Lot. Und es ist gefährlich, weil
     es von echten Angehörigen der Zeit entdeckt werden könnte. Aber wer kann schon wissen, was dieser Zwei denkt?«
    Katherine drehte die Melone in der Hand, damit Andrea die ganze Botschaft lesen konnte.
    »Könnte das der Kerl geschrieben haben, der bei dir aufgetaucht ist und dir gesagt hat, dass du den Code verändern sollst?«,
     fragte sie Andrea. »Kannst du die, wie haben sie das im Englischunterricht noch mal genannt?, die Diktion analysieren?«
    »›Die Diktion analysieren‹?«, wiederholte Jonas ungläubig. »Das sind nicht mal zehn Worte! Genauso gut kannst du sie eine
     SMS analysieren lassen!«
    »Ich habe von beidem keine Ahnung«, sagte Andrea. »Aber die Art, wie die Worte hineingeritzt sind, sieht mir durchaus nach
     seiner Handschrift aus.«
    Jonas und Katherine starrten sie an.
    »Als er mir den Code gab, hat er ihn für mich aufgeschrieben, damit ich ihn auswendig lernen kann«, erklärte Andrea.
    Katherine nickte aufgeregt.
    »Dann nennt sich der Kerl, der uns sabotiert hat, alsoZwei«, sagte sie und tat dabei wie Sherlock Holmes, der gerade eine geniale Schlussfolgerung zog. »Und es ist der Gleiche,
     der jetzt mit uns kommuniziert.«
    Jonas konnte ihre Erregung nicht nachvollziehen.
    »Kommunizieren?«, sagte er bitter. »Das ist keine

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