Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
metallischer, leicht bitterer Nachgeschmack zurück. Beinahe augenblicklich merke ich, wie sich meine verkrampften Muskeln lockern. Nachdem ich so lange wachsam gewesen bin, fühlt sich die Entspannung in meinen Gliedern wundervoll an. Ich merke, dass ich unwillkürlich lächele, und schließe daraus, dass dem Wasser mehr als ein muskellockerndes Mittel beigefügt sein muss. Was auch immer sie mir gegeben haben, es bewirkt ein euphorisches und überwältigendes Gefühl von Wohlbefinden.
»Ein Wahrheitsserum.« Die Worte verlassen meinen Mund im gleichen Augenblick, in dem ich sie denke.
Dr. Barnes nickt. »Heute bist du die erste Kandidatin, die von selbst darauf kommt und nicht von mir darauf hingewiesen werden muss.«
»Vielleicht haben die anderen auch nur zu viel Angst auszusprechen, was ihnen auffällt.« Wieder sind die Worte draußen, ehe ich sie noch einmal überdenken kann.
Dr. Barnes lacht. »Die Möglichkeit besteht selbstverständlich. Deshalb geben wir euch ja diese Droge. Sie soll euch dabei helfen, euren Körper und euren Geist zu entspannen. Wir wissen, wie belastend dieses Gespräch für euch ist, und wir wollen vermeiden, dass eure Anspannung verhindert, uns euer wahres Ich kennenlernen zu lassen.«
Der erste Anfall von Euphorie legt sich, und dieses Mal denke ich nach, ehe ich zugebe: »Ich bin mir nicht ganz im Klaren, was mein wahres Ich ist.«
»Wir sind hier, um das herauszufinden. Erzähl uns von deiner Familie, Cia.«
Meine Familie. Ich hole tief Luft und lege mir meine Antwort sorgfältig zurecht. Dass ich innehalten und nachdenken kann, bevor ich etwas sage, erkläre ich mir damit, dass die Flüssigkeit aus dem Fläschchen des grauhaarigen Mannes die volle Wirkung des Wahrheitsserums abmildert. Jetzt muss ich dem Ausschuss die Antwort geben, die seine Mitglieder haben wollen. Ganz sicher wissen alle, dass meine Eltern noch leben und ich Brüder habe. Was also wollen sie hören?
Ich beschließe, mich kurz zu fassen, und zähle meine Familienmitglieder auf. Ein anderer Offizieller will einiges über die Five-Lakes-Kolonie erfahren, und ich gebe nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft. Dann konzentrieren sich die Fragen auf meinen Vater – was er mir beigebracht und was er mir von seinen eigenen Erfahrungen während der Auslese erzählt hat. Ich gebe zu, dass er sagte, er erinnere sich nur an sehr wenig. »Aber er hat mich davor gewarnt, dass es Kandidaten geben könnte, die sehr ehrgeizig sind.«
Aus meinen Erwiderungen erwachsen neue Fragen, und obwohl meine Muskeln gelockert sind, bleibt mein Geist wachsam genug, um nichts preiszugeben, was meine Familie in Gefahr bringen könnte. Dr. Barnes erwähnt, er habe gehört, mein ältester Bruder sei bei einigen Projekten meines Vaters federführend gewesen. Als er wissen will, ob ich finde, er hätte ebenfalls für die Universität infrage kommen müssen, zögere ich nicht. Ich lüge.
»Mein Vater versucht immer, alle seine Mitarbeiter für die Projekte, an denen sie arbeiten, zu loben, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Ich liebe Zeen sehr, aber er macht seine Sachen schlampig und verdient es eigentlich nicht, dafür besonders hervorgehoben zu werden.«
Ich bin froh, diese Klippe umschifft zu haben, als auch schon die nächsten in Sicht kommen. Wieder drehen sich die Fragen um meinen Vater. Wollte er, dass seine Kinder in seine Fußstapfen treten? War er aufgeregt, weil man mich für die Auslese ausgesucht hatte? Ich antworte knapp und verpacke alles so positiv wie möglich. Weder erwähne ich Dads Albträume, noch wie niedergeschlagen er war, ehe ich nach Tosu-Stadt abreiste. Ich sage nichts, was die Offiziellen auf die Idee bringen könnte, einen weiteren Gedanken an meinen Vater und seine Erinnerungen an die Zeit während der Auslese zu verschwenden.
Dann wendet sich das Gespräch der Auslese selbst zu.
Warum habe ich Brick meinen Verdacht mitgeteilt, dass Roman uns hintergeht?
Alles andere hätte mich zu einem schlechten Teammitglied gemacht.
Welche Gründe hatte ich, ein mir unbekanntes totes Mädchen zu begraben?
Meine Eltern haben mir beigebracht, alles Leben mit Respekt zu behandeln.
Habe ich zu irgendjemandem außerhalb des Grenzzauns rings um das Testgebiet Kontakt aufgenommen?
Nein.
Wie sehe ich meine Entscheidung, Will zu vertrauen?
Es war ein Fehler, sich auf Will zu verlassen. In Zukunft werde ich eine klügere Wahl treffen.
Während ich antworte, bin ich mir Dr. Barnes’ prüfender Blicke ständig
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