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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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dort warten Dr. Barnes und die Prüfer auf mich. Nacheinander richten sie darüber, wie sich die toten Kandidaten geschlagen haben.
    Ryme. Nina. Malachi. Boyd. Gill. Annalise. Nicolette. Roman. Zandri.
    Die Leichen liegen aufgetürmt in einer Ecke, als sich die Mitglieder des Prüfungsausschusses im Traum mir zuwenden. Dr. Barnes schüttelt den Kopf. Er sagt mir, ich hätte so vielversprechend angefangen. Zu dumm, dass ich den falschen Leuten vertraut hätte. Anführer können sich diese Art von Fehlern nicht leisten. Er sagt mir, ich sei durchgefallen, dann greift ein anderer Offizieller nach seiner Armbrust, zielt und schießt. Der Bolzen durchschlägt meinen Magen, und ich wache von meinem eigenen Schrei auf, ehe ich auf den Fußboden falle.
    In einem Raum eingesperrt zu sein und keinen anderen menschlichen Kontakt zu haben als die Offiziellen, die mir meine Mahlzeiten bringen, zerrt an meinen Nerven. Stundenlang laufe ich hin und her, dann sitze ich weitere Stunden auf dem Bett und stiere die Wände an, während ich versuche, die Prüfer mit der Kraft meiner Gedanken dazu zu zwingen, endlich eine Entscheidung zu fällen. Aber nichts passiert, und irgendwo im Hinterkopf frage ich mich, ob nicht auch das ein Test ist. Sitzen Dr. Barnes und seine Freunde an einem Bildschirm und sehen uns dabei zu, wie wir zurechtkommen? Tigern auch andere Kandidaten in ihren Quartieren herum? Sprechen meine Albträume gegen mich, oder wäre ein ungestörter Schlaf ein Anzeichen für eine gleichgültige Verfassung, die keinesfalls erwünscht wäre?
    Ich starre zur Kamera hinauf, und es ist mir völlig egal, ob ich den Offiziellen damit verrate, dass ich von ihnen weiß. Vielleicht aber will ich auch gerade, dass sie es erfahren. Sie sollen wissen, dass ich schlau genug war herauszufinden, dass man uns beobachtet. Da ich nicht mehr schlafen kann, denke ich über die Kandidaten nach, die gestorben sind, und das Löschen unserer Erinnerungen, das kommen wird, wenn Tomas und mir nicht irgendetwas einfällt, um es zu verhindern. Zum ersten Mal frage ich mich, ob die Prüflinge, die in den ersten beiden Runden der Auslese versagt haben, umgebracht wurden oder ob ihnen das Commonwealth einfach nur ihre Erinnerungen an dieses Experiment genommen hat. Im Laufe der letzten hundert Jahre ist die Bevölkerung des Vereinigten Commonwealth angewachsen, aber ist sie wirklich genug gestiegen, um jedes Jahr Dutzende der vielversprechendsten Mitglieder töten zu können? Und wenn die erfolglosen Kandidaten nicht sterben mussten, wohin wurden sie dann gebracht?
    Nachdem ich mein Morgentablett in Empfang genommen habe, bin ich die Augen, die mich beobachten, und die Ohren, die meine Schreie beim Aufwachen belauschen, leid. Ich lächele kurz fürs Publikum in die Kamera, dann mache ich mich an meinem Armband zu schaffen, finde den Verschluss und lasse es von meinem Handgelenk aufs Bett fallen, wo es jetzt neben denen von Zandri und Nina liegt. Auch das zweite Erkennungsband, das an meiner Tasche befestigt ist, entferne ich, lege es zu den restlichen, nehme meine Tasche und schließe mich im Badezimmer ein.
    Das Gefühl, allein zu sein – wirklich allein –, löst die Verkrampfung in meinen Schultern. Ich nehme eine Dusche, dann rolle ich mich auf dem Fußboden zusammen und döse ein wenig. Da ich sonst nichts zu tun habe, schaue ich mir die Sachen aus meiner Tasche an, die ich von zu Hause mitgebracht habe. Kleidung, die meine Mutter genäht hat, und Dinge, die mein Vater einst in den Händen hielt oder mit denen meine Brüder gearbeitet haben. Dinge, die mir dabei helfen herauszufinden, wer ich mal gewesen bin. Nun, wo ich nicht länger fürchten muss, beobachtet und beurteilt zu werden, lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Jeden einzelnen Gegenstand betaste ich, schmiege meine Wange daran und versuche, die Spuren des Mädchens zu finden, das diese Tasche vor wenigen Wochen gepackt hat. Ich vermisse das Gefühl der Hoffnung, von dem es erfüllt war. Seinen Optimismus. Die strahlende Zukunft, die es vor sich glaubte. Wenn ich Tomas’ Pille nicht mehr rechtzeitig bekommen und schlucken kann, wird die Löschung meines Gedächtnisses dann diese junge Frau, die ich einst war, zurückbringen? Werden sich die Schatten wirklich von meinem Herzen heben, wenn ich meine Erinnerungen einbüße? Vielleicht. Einen Moment lang gebe ich mich dem Verlangen nach solcher Unbekümmertheit hin, nach friedlichen Träumen und einer Zukunft, die von der Last befreit ist,

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