Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Wahrheit dahinter zu ergründen. Aus tiefstem Herzen will ich mir einreden, dass Tomas nichts mit dem Mord an Zandri zu tun hat. Aber seine Unwilligkeit, mir zu erzählen, was an jenem Tag wirklich geschehen ist, lässt mich etwas anderes glauben.
Das Gefühl, verraten worden zu sein, Furcht, Zorn und Liebeskummer – die Emotionen schlagen plötzlich unaufhaltsam über mir zusammen. Meine Knie knicken unter mir weg, und ich lasse mich auf den Boden sinken. Aber ich weine nicht. Noch immer ist über mir in der Decke eine Kamera versteckt, und ich will Dr. Barnes und den Offiziellen am Bildschirm nicht die Befriedigung geben, mich zusammenbrechen zu sehen. Und sind nicht überhaupt sie diejenigen, die ich eigentlich für Zandris Tod verantwortlich machen muss? Es ist ihr Spiel, das wir spielen und überleben mussten. Was auch immer Tomas getan hat – ich bin mir sicher, dass er sich nicht dafür entschieden hat, um sich einen Platz an der Universität zu sichern. Er muss überzeugt davon gewesen sein, dass sein Leben in Gefahr war.
Als es an die Tür klopft, springe ich mit einem Satz auf. Ich öffne sie, nehme ein großes Tablett mit Speisen entgegen und lasse mir sagen, dass das Komitee noch immer tage. Der Offizielle geht wieder, und ich höre, wie das Türschloss verriegelt wird. Dann fängt für mich das Warten an.
Das Essen ist üppig und ausgefallen. Ein großes Steak, das außen knusprig und innen rosig und saftig ist. Es liegen Kartoffelspalten auf dem Teller – von der Sorte, die Zeen gezüchtet hat –, die mitsamt ihrer Schale goldbraun gebraten wurden. Kalte Garnelen sind mit winzigen Limettenscheiben garniert und säumen ein kleines Töpfchen mit ausgelassener Butter. Ein Salat aus frischem Gemüse und Walnüssen ist mit einer würzigen, süßlichen Vinaigrette angerichtet. In einem am Rand gefrosteten Glas perlt ein klares Getränk. Auch eine Karaffe mit Wasser und ein Stückchen Kuchen befinden sich auf dem Tablett.
Dies ist ein Festschmaus, mit dem ich feiern soll, dass ich es bei der Auslese so weit gebracht habe. Niemals in meinem Leben war mir weniger nach Feiern zumute.
Die Kamera über meinem Kopf bringt mich dazu, das Steak anzuschneiden. Ganz sicher ist es ein Genuss, doch ich schaffe es nur mit Mühe, die Stücke zu kauen und runterzuschlucken, ohne zu würgen. Ich trinke einen Schluck von der prickelnden Flüssigkeit, stelle das Glas aber sofort wieder hin. Alkohol. Das gleiche Getränk, das Zeen mir bei meiner Abschlussfeier gebracht hatte, um mich aufzumuntern. Damals schmeckte es bitter vor Enttäuschung. Heute schmeckt es nach zu Hause.
Ich trinke das Wasser und nippe dazwischen immer wieder am Alkohol, um Zeen nahe zu sein. Auch vom Salat koste ich, lasse den Kuchen jedoch stehen. Bei der Vorstellung zu feiern, während ich Zandris Erkennungsarmband in der Hand halte, wird mir ganz übel. An der untergehenden Sonne merke ich, wie viel Zeit vergangen ist. Ich beobachte, wie die letzten Strahlen verschwinden, und frage mich, ob das Komitee seine Entscheidung getroffen haben wird, ehe morgen die Sonne wieder aufgeht.
Ein Offizieller holt das Tablett ab. Erneut höre ich deutlich, wie die Tür wieder zugeschlossen wird. Da nur der Mond mir Gesellschaft leistet, schleppen sich die Minuten schier endlos dahin. Ich denke an Zandri und Malachi. Ich gehe jeden Augenblick meines Abschlussgesprächs noch einmal durch, beleuchte jedes Wort von allen Seiten und frage mich, ob ich mit meinen Antworten bestanden habe oder durchgefallen bin. Zusammengerollt, meine Tasche eng an mich gepresst, schlafe ich ein.
Mit dem Morgen kommt auch ein neues Tablett. Noch immer ist keine Entscheidung getroffen worden. Der Offizielle sagt mir, ich solle Geduld haben. Nachdem er mich wieder allein gelassen hat, beginne ich rastlos, im Zimmer auf und ab zu laufen.
Tabletts werden gebracht und wieder weggeschafft. Keine Neuigkeiten.
Ich rekapituliere meine Tage während der Auslese und suche nach einem Hinweis darauf, was Tomas nur dazu getrieben haben könnte, Zandris Leben zu beenden, aber ich finde nichts. Sicherlich war Zandri draufgängerisch und eigenwillig, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie Will oder Tomas angegriffen haben könnte. Sie war doch mit Tomas befreundet. Vielleicht war sie sogar ein bisschen in ihn verliebt. Und jetzt ist sie tot. Wenn ich wach bin, quälen mich meine Gedanken so sehr, dass ich immer öfter versuche, im Schlaf Vergessen zu finden. Doch auch
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