Die Außenseiter
zuckte zaghaft die Schultern. »Weil sich Ihre Geschichte von dem gewöhnlichen Durchschnittsmüll unterscheidet, mit dem wir unsere hinteren Bildschirmseiten füllen. Weil ich geglaubt habe, Sie könnten mir vielleicht aus einem neuen Blickwinkel schildern, auf welche Weise ihr Schurken euch der Justiz entzieht. Bis jetzt bin ich nicht begeistert, sondern enttäuscht.«
»Graben Sie meinen Rucksack aus, und Sie werden vor Begeisterung Purzelbäume schlagen! Der Inhalt wird Sie entzücken.«
Shannon seufzte schwer. »Ich habe den Polizeibericht überflogen. Es gibt keine Thranx im Reservat. Es gibt noch nicht einmal Thranx auf dieser Hemisphäre. Wie jeder Repräsentant einer neu kontaktierten Spezies dürfen sich auch die Thranx nur auf der Orbitalstation aufhalten, wo es entsprechende diplomatische Einrichtungen gibt. Wir haben gelegentlich aus nächster Nähe darüber berichtet, wenn besonders wichtige Thranx mit dem Rang eines Eint oder höher die Erde besucht haben, doch sogar sie dürfen die offiziellen Grenzen von Lombok oder Genf nicht überschreiten. Selbst wenn es einer bis nach hier geschafft hätte, könnte er nicht überleben.«
Cheelo beugte sich wieder zu ihr vor und senkte die Stimme so sehr, dass sie sich ebenfalls vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. Es gefiel Shannon gar nicht, dem Gefangenen so nah zu sein. Trotz der Behandlung, die er wie jeder neu Verhaftete über sich hatte ergehen lassen, roch sie noch deutlich, dass er viel Zeit im Reservat verbracht hatte.
»Sie haben Recht«, flüsterte er. »›Einer‹ könnte nicht überleben. Aber ein gut vorbereitetes und ausgerüstetes Landungskommando schon.«
Sie verdrehte die Augen und wandte den Blick von ihm ab. Allmählich hatte sie genug von diesem Mörder und seinen jämmerlichen Fantasien. »Sie wollen mir also weismachen, dass es nicht nur ein Thranx war, sondern dass ein ganzes Thranx-Landungskommando unbemerkt im Reservat rumläuft! Für wie dämlich halten Sie mich, Montoya?
Wenn die Ranger einen Menschen wie Sie einfangen können, der sich nach Kräften bemüht, ihnen aus dem Weg zu gehen, meinen Sie dann nicht, dass sie erst recht so was Fremdartiges wie einen Thranx aufspüren würden? Geschweige denn einen ganzen Landungstrupp?«
»Nicht wenn die Thranx unter der Erde blieben und von menschlichen Helfern unterstützt würden«, schoss er zurück. »Und ich habe nicht versucht, den Rangern aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls am Schluss nicht mehr. Ich wollte geschnappt werden.«
Shannon runzelte unsicher die Stirn; ihr Zorn verebbte gerade genug, um ihrer Neugier Platz zu machen. »Unterirdisch? Wollen Sie mir etwa sagen, dass ein illegaler Thranx-Landungstrupp im Reservat operiert - und das auch noch unter der Erde?«
Er verzog das Gesicht zu einem selbstgefälligen Grinsen. »Kein Landungstrupp. Ein Stock. Eine Kolonie.« Sein Tonfall klang inzwischen anmaßend. »Es gibt nicht nur ein Dutzend Thranx im Reservat - es gibt hunderte. Und sie schauen sich keine Pflanzen an und fangen auch keine Schmetterlinge - sie leben dort. Und vermehren sich.«
Sie starrte den schlaksigen, prahlerischen Kerl an, der mit verschränkten Armen vor ihr saß und sie blasiert anlächelte. Montoya sah ihr unbeirrt in die Augen. Shannon wollte den Blick abwenden, konnte es aber nicht. Noch nicht.
»Also, was sind das für Beweise in dem Rucksack, die eine so ungeheuerliche Geschichte belegen sollen?«
»Dann ist meine ›verrückte‹ Geschichte für die Medien also doch interessant?«, zog Cheelo sie auf.
Shannon wollte ihn nicht so leicht davonkommen lassen.
»Geben Sie mir die Koordinaten der Stelle, an der Sie den Rucksack vergraben haben, und ich sehe mir an, was er enthält! Wenn überhaupt was drin ist. Wenn es ihn überhaupt gibt.«
»Oh, es gibt ihn.« Er blickte flüchtig zur Tür. »Aber zuerst müssen wir so eine Art Vereinbarung treffen. Offiziell aufgezeichnet, in Anwesenheit von Zeugen.«
»Eine Vereinbarung?« Shannon war ganz und gar nicht erbaut. Ihr Posten in der Mediengesellschaft war nicht gerade der Bedeutendste, und das wirkte sich entsprechend auf ihr Spesenkonto aus. Iquitos war eben nicht Paris. »Was für eine Vereinbarung?«
Zum ersten Mal, seit sie den Interview-Raum betreten hatte, schien der Mann sich zu entspannen. »Sie glauben doch nicht, dass ich eine solche Jahrhundertstory aus reiner Nächstenliebe rausrücke, oder?« Einen Moment lang trat ein abwesender Ausdruck in seine Augen, und er senkte die Stimme
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