Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
wach sind, als würden sie mir direkt ins Ohr flüstern.
Manches davon ist nur öder Kram, wie bei unseren Nachbarn, die sich um ihren Kredit einen Kopf machen und ob sie vielleicht umschulden sollten oder lieber doch nicht. Aber andere Stimmen sind echt schlimm. Zum Beispiel dieser Obdachlose ein paar Häuserecken weiter, von dem nachts nichts als Rumgebrüll kommt, krasser Blödsinn, der so fies ist, dass ich mir ein Kissen über den Kopf ziehen muss. Davon hört zwar der Lärm nicht auf, aber wenigstens fühle ich mich ein bisschen sicherer.
Das einzig Gute an diesem Dienstagmorgen war, dass mir beim Aufwachen mein rosa Rock eingefallen ist.
Also, mit diesem Teil hat es Folgendes auf sich: Ich hab ihn nicht deshalb angezogen, weil das irgendwie mein liebster Lieblingsrock aller Zeiten wäre oder so. Na ja, er ist schon ganz nett, das will ich nicht abstreiten, aber ich hab ihn vor allem deshalb ausgesucht, weil ich Mariah und Daphne und Jessica beeindrucken wollte. Und jetzt, wo ich ihre Gedanken lesen kann ⦠da krieg ich endlich mal ehrliche Rückmeldungen zu meinen ganzen Klamotten.
Sieht ganz so aus, als hätte diese Gedankenleserei auch ihre Vorteile.
April kann ja Mariah und diesen Typ Mädchen generell nicht ausstehen. Bei ihr heiÃen die immer die âºAngelasâ¹, wahrscheinlich weil es bei ihr irgendwann in der vierten Klasse mal eine dämliche Kuh namens Angela gegeben hatte, die April immer hänseln musste, weil sie so schlau war. Ich wollte mit ihr reden, ehe dieser ganze Quatsch passiert ist. Ich wollte ihr erklären, dass diese Mädchen nicht so sind wie die dämliche Kuh damals und dass sie bitte ihr frühkindliches Trauma nicht an mir auslassen soll, aber sie hört mir ja nie zu. »Die sind echt nett«, hab ich schlieÃlich zu April gesagt. »Die engagieren sich sogar ehrenamtlich.«
»Ja, weil sie müssen«, hat sie erwidert. »Das gehört zu den Prüfungsvoraussetzungen .«
Mit May darüber zu reden hab ich mir lieber gleich gespart. Man braucht keine Gedanken lesen zu können, um zu wissen, was sie von ihnen hält. In der Hinsicht ist sie quasi transparent.
Aber was sollâs. April und May sind einfach zu alt, um sich noch zu erinnern, wie man sich als Highschool-Frischling fühlt. Die wissen einfach nicht mehr, wie es ist, wenn man von der Achten in die Neunte wechselt, was ungefähr einem Aufstieg von der Kreisklasse in die Oberliga gleichkommt. Nach den vier Jahren Highschool muss ich dann aufs College, und wenn ich jetzt nicht lerne, wie man beliebt wird, kann ich auch gleich ins Kloster gehen und mir beibringen lassen, wie man Suppe für Waisenkinder kocht, oder was Nonnen halt so machen, weil ich dann nämlich hoffnungslos verloren bin.
(AuÃerdem, und das hab ich noch nie jemandem gesagt, krieg ich jedes Mal, wenn ich ans College denke, das groÃe Nervenflattern. SchmetterlingsschwarmgroÃes Nervenflattern. Ich soll dann weg von Zuhause? Weg aus meinem Zimmer? Weg von meinen Freunden? Weg von Mom? Ich soll Tausende von Dollar bezahlen, nur um in einer Schule zu wohnen?)
April und May haben auch keine Ahnung davon, dass ich am ersten Schultag die Mittagspause alleine verbracht hab. Lieber sterbe ich, als dass ich das ihnen oder überhaupt irgendwem erzähle. Ich verdrückte mich ganz ins Abseits, noch hinter das Softballfeld und hinter einen Baum. Aber ein Baum ist eben keine Freundin, und im Dreck sitzen und allen zusehen, wie sie sich mit anderen unterhalten, ist nun echt nicht das, was ich mir von den Mittagspausen meiner nächsten vier Jahre erträume. Nee, herzlichen Dank auch.
Das war natürlich alles noch, bevor ich Gedanken lesen konnte. Für mich hatte seitdem ein völlig neues Spiel angefangen, und ich war der Mannschaftskapitän.
Also, auf zur nächsten Runde.
Meiner ungeheuren Beliebtheit stand eigentlich nur noch eins im Wege: mein rosa Rock.
Es gibt da so ein komisches Phänomen, das immer dann auftritt, sobald man ins Schulhaus kommt. Vielleicht kennt ihr das ja auch. Also, ich weià nicht, wie euch das geht, aber jedes Outfit, das zu Hause im Spiegel oder auf dem Parkplatz noch gut aussah, kommt einem plötzlich wie die bekloppteste Idee aller Zeiten vor. In sämtlichen Zeitschriften steht immer »Sei einfach du selbst«, aber wenn man nicht gerade das computergeschönte Model aus der aktuellen Fotoserie ist, fällt es ganz
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