Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
neigte den Kopf zur Seite. »Sie hat mir auch erklärt, was ich alles noch brauche«, fügte sie leiser hinzu. »Ich fürchte, ich habe dein Konto ziemlich belastet.«
Carl trat zu ihr und nahm sie in den Arm. »Alles, was du brauchst, sollst du auch haben. Und das Kind natürlich auch.« Er zögerte. »Ich habe mit Kapitän Schneider gesprochen … über … du weißt schon … die Geburt«, stammelte er.
»Und?«
»Stell dir vor, der Segelmacher war dabei. Der Segelmacher seines Schiffes.«
Emilia lachte. »Ich weiß.«
»Ich denke noch einmal darüber nach, ob das mit Piet nicht doch eine Möglichkeit wäre.«
»Danke!« Sie küsste ihn stürmisch. »Es wird schon alles gutgehen.«
»Dennoch habe ich eine Hebamme angefordert. Sie soll nach dir schauen, solange wir hier im Hafen liegen. Morgen werden wir an den Anleger geschleppt, damit wir die Kohle entladen und Ballast aufnehmen können. Ich will zügig weiter nach Callao. Dort werden wir sicher einige Zeit verbringen müssen, bis die Ladung Guano an Bord ist.«
Am Tag war es angenehm warm gewesen, nicht heiß oder schwül, eine trockene Wärme, die Emilia sehr genoss. In der Nacht jedoch fror Emilia und sie beschloss, am nächsten Tag die dickeren Decken wieder hervorzuholen. Zudem hielten die vielen Geräusche des Hafens und der nahen Stadt sie wach. Dieser Lärm war ungewohnt nach den vielen Tagen auf See, wo nur die Möwen kreischten, die Wellen gegen die Planken schlugen und manchmal die Matrosen im Logis ihre Shantys sangen.
»Ist dir kalt?«, fragte Carl, als er, nachdem er an Bord nach dem Rechten geschaut hatte, zu ihr in die Koje stieg.
»Hm.« Sie kuschelte sich an ihn, wärmte ihre kalten Füße an seinen warmen Waden.
»Das ist der Humboldtstrom, er bringt kaltes Wasser vom Pol«, murmelte er und schlief sogleich ein.
Am nächsten Tag kam die Hebamme, eine Mestizin, die nur wenig Englisch sprach. Mit ihrer bunten Kleidung und dem schwarzen Hut wirkte sie jünger, als sie sein konnte, die Falten um ihren Mund und am Hals verrieten ihr Alter. Sie lehnte den Tee ab.
»Coffee, please.« Ihr fehlten mehrere Zähne, wie Emilia feststellte. »My name is Ignazia. You are with child when?«
Seit wann, will sie wissen, übersetzte Emilia.
»November, December – it is due in August, I think.«
»August? Pretty soon. Let me see and touch.«
Sie knöpfte ohne Schamgefühl das Kleid auf, drängte Emilia zum Sofa.
»Not here«, hauchte Emilia peinlich berührt. Jeden Moment konnte einer der Steuerleute in die Kajüte kommen oder gar der Steward. Sie nahm die Hebamme bei der Hand und führte sie in ihre Kammer. Dort zog sie das Kleid aus. Die Hebamme drückte auf Emilias Bauch, tastete ihn ab. Murmelte vor sich hin, so dass Emilia angst und bange wurde.
»Something wrong?«
»Child fine and big and healthy. Please undress and lay down.« Die Mestizin lächelte ihr zahnloses Lächeln.
»Was?« Emilia sah sie fassungslos an.
»Undress. Underwear … away.« Wieder grinste sie breit. »I have to feel …«
Nein, dachte Emilia zunächst, doch dann zog sie sich, mit schamrotem Gesicht, aus und legte sich auf die Koje. Die Frau spreizte Emilias Beine und tastete. Emilia machte die Augen zu und beschloss, nicht zu sterben, auch wenn sie es gerade am liebsten wollte. Nur Carl hatte sie so gesehen und angefasst.
»Fine«, sagte Ignazia. »Everything fine. Child healthy, Mother healthy. But you will deliver before September.«
Emilia richtete sich auf und zog die Röcke herunter. »When?«
Ignazia zuckte mit den Schultern. »August, not much time. You better stay here. I have a house for young mothers. Not much cost.« Sie lachte.
»Thank you. I will talk to my husband.«
Den ganzen Nachmittag dachte Emilia über den Vorschlag der Mestizin nach. Sollte sie bei der Hebamme in Valparaiso bleiben? Dort gäbe es andere junge Mütter, sie hätte Betreuung während der Geburt. Aber sie wäre von Carl getrennt, und das für mehrere Wochen oder gar Monate. Zu gerne hätte sie Auguste befragt, doch das war leider nicht mehr möglich.
Auguste hatte ihr Kind auf dem Schiff bekommen, ohne Hebamme oder Arzt. Wenn Auguste das geschafft hat, schaffe ich es auch, dachte Emilia.
»Was hat die Hebamme gesagt?«, wollte Carl abends wissen. Emilia hatte die dickeren Decken herauslegen lassen, schob ihre Füße aber dennoch zwischen Carls Waden.
»Es ist alles gut. Das Kind ist kräftig und gesund, sagt sie.«
»Und die Geburt?«
»Sie meint, ich wäre auch
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