Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
half beim Fieren und Einholen der Segel. Hektisch war es und eine seltsame Spannung lag über dem Schiff. Nur einen kurzen Moment blieb Emilia stehen. Als sie die dunkle, fast schwarze Wolkenfront sah, die von Süden auf sie zuzurasen schien, packte sie die Angst. Schnell holte sie den gepolsterten Korb aus der Kombüse.
»Ma’m?« William, der Zimmermann, stand plötzlich vor ihr. »Darf ich Euch helfen?«
Emilia schüttelte den Kopf. »Um Gottes willen. Du hast doch sicher schon genug hier zu tun.«
»Im Moment nicht. Es ist nicht meine Wache und es muss auch nicht geflickt oder gehämmert werden. Aber«, er drehte sich um und zeigte auf die Wolken, »da kommt etwas auf uns zu. Wollt Ihr das Kind in den Korb legen?«
»Ja. Dort ist sie besser geschützt. Sie ist so groß, dass sie fast nicht mehr hineinpasst. Wenn ich noch eine Decke um sie stopfe, liegt sie vielleicht sicher.«
Der Zimmermann nickte. »Das ist eine gute Idee. Das Körbchen können wir schnell in Eurer Koje befestigen.«
Es dauerte nicht lange, da hatte William den Korb an der Wand und auf der Koje montiert. »Wenn wir ein Netz darüberspannen, bekommt sie Luft, kann aber nicht herausgeschleudert werden«, meinte er.
»Wird das halten?«, fragte Emilia besorgt.
Palmer nickte. »Aye, Ma’m.«
Emilia legte das Kind in das Bettchen und stopfte die Seiten aus, bis sich die Kleine kaum noch rühren konnte. Emily schrie und weinte.
»Da müssen wir jetzt durch«, seufzte Emilia. Die Dünung hatte zugenommen, die Wellen klatschten gegen die Schiffswand, so manche ging auch über Deck. Noch immer waren die Männer in den Rahen, riefen sich die Kommandos zu. Regen prasselte auf das Schiff, die Männer hatten das Oberlicht in der Kajüte abgedeckt, trotzdem tropfte es auf den Tisch. Schnell räumte Emilia alles weg, was durch die Räume fliegen konnte, zurrte die Sachen fest oder steckte sie in die Laden und Schränke.
Die See brüllte und der Sturm heulte. Schneller als gedacht, hatte das Unwetter das Schiff erreicht. Emilia schaute ängstlich nach draußen. Die Wellen wurden immer höher und höher, das Schiff tauchte in die Täler, der Bug so tief, dass er gewiss nicht mehr hochkommenwürde. Wie Berge stand das Wasser an beiden Seiten des Schiffes, die Wellen überstürzten sich brüllend und schäumend, das Schiff zitterte und hob sich dann wieder aus dem Wellental empor. Die Gischt stand wie ein Wassernebel über dem Deck. Dann ging die Fahrt bergan, auf den Rücken einer Welle, der Sturm kreischte und ein Segel riss ab und wurde, wie ein Taschentuch im Wind, davongetragen.
Emilia schlug das Herz bis zur Brust, der Hals schnürte sich zu. Einer der Matrosen wurde von dem Wasser, das überging, erfasst und gegen die Verschanzung geschleudert. Sie sah, dass er wieder aufstand und zu seinem Posten zurückeilte, auch wenn er humpelte.
Die »Lessing« legte sich auf die Seite, das Ende der großen Rah tauchte ins Wasser.
Carl brüllte Befehle und Emilia konnte kaum fassen, dass die Männer bei dem Sturm und dem Wellengang in die Rahen kletterten. Das Sturmsegel sollte herunterkommen, aber es ging Carl nicht schnell genug. Erschrocken hielt sie die Luft an, als er das Schneidemesser aus dem Gürtel zog und die Wanten hochlief, um die Zeisinge mit eigener Hand durchzuschneiden. Das war zu viel für sie, mehr wollte sie gar nicht sehen. Mit Mühe schaffte sie es in die Kammer, wo Emily in ihrem Notbettchen lag und aus Leibeskräften schrie.
»Ist ja gut.« Emilia kletterte in die Koje, presste sich an das Körbchen und schob eine Hand unter das Netz. Sie strich ihrer Tochter über das Köpfchen. Aber wie sollte sie das Kind beruhigen, wenn sie selbst Todesängste ausstand?
Würden sie jetzt sterben? Mit Mann und Maus untergehen? Emilia wurde schlecht vor Angst. Sie konnte schwimmen, die meisten der Matrosen konnten es nicht. Aber sie würde sich bei dieser kochenden See nicht retten können und ihre Tochter erst recht nicht.
Der Steward klopfte, hielt sich mit Müh und Not am Türrahmen fest. »Der Kapitän schickt mich«, rief er, um das Tosen zu übertönen. »Ich soll nachschauen, ob Ihr und Lily in Sicherheit seid.«
Emilia nickte und zeigte auf das Körbchen. »Der Zimmermann hat das gebaut.«
»Dann wird es halten.« Julius wandte sich wieder um und schloss die Tür.
Karamell wimmerte und winselte unter dem Sofa, und obwohl Emilia sie rief, wollte sie diesmal nicht in die Koje kommen.
Das Schiff ächzte, ging nach oben und fiel dann
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