Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
Vom Netzwerk:
in das Wellental. Emilia wusste, dass das Schiff nicht quer zum Wellengang stehen durfte, dann wäre alles verloren.
    Emily schrie und schrie, schließlich aber schluchzte sie nur noch und dann schlief sie erschöpft ein. Das Schiff kämpfte, und bei so mancher Welle, die brausend und tosend über dem Schiff brach, glaubte Emilia, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Die See ging mit Wucht über sie hinweg, der Sturm schien zu schreien. Emilia stemmte sich gegen die Wand, klammerte sich an den Riemen, der um den Pfosten befestigt war, und drückte ihren Körper gegen das Körbchen.
    Nach drei Stunden zog der Sturm ab. Immer noch kochte die See, doch der Wind ließ ein wenig nach.
    Ihr Handgelenk schmerzte und zeigte einen tiefroten Abdruck, so eng hatte sie den Riemen um die Hand gewickelt. Emily lag, als wäre nichts gewesen, im Körbchen und lutschte am Daumen. Hin und wieder lächelte sie im Schlaf. Vorsichtig stand Emilia auf, ihr tat jeder Knochen und jeder Muskel weh, weil sie sich so angespannt hatte. Kurz schaute sie nach der Hündin, die, wie durch ein Wunder, nicht kreuz und quer durch den Raum geschleudert worden war. Die Decken und Tücher, mit denen sie den wenigen Platz unter dem Sofa ausgestopft hatte, schienen ihr Halt gegeben zu haben.
    Kaum war der Sturm ein wenig abgeflacht, kam der Steward wieder nach unten, um nach ihr zu schauen. »Der Kapitän macht sich Sorgen.«
    »Sie schläft wie ein Engel«, sagte Emilia lächelnd. »Ihr könnt dem Kapitän sagen, dass wir alles gut überstanden haben. Ist es denn wirklich vorbei?«
    »Aye, das Schlimmste schon.«
    Breitbeinig, um dem Wellengang standzuhalten, folgte sie ihmdurch die Kajüte. Es war immer noch windig, und die Tür krachte gegen die Verkleidung. Die milde Luft der letzten Wochen war eiskalter gewichen. Scharf wehte der Wind in Emilias Gesicht, so dass ihre Augen tränten. Sie ging die drei Stufen nach oben, klammerte sich am Geländer fest. Carl stand neben dem Steuer und blickte grimmig nach vorn. Er bemerkte sie nicht. Die Matrosen waren in den Wanten und Rahen, setzten Segel. Es war düster, nur einige Sterne waren zu sehen. Wolkenfetzen jagten über den Himmel.
    In der Kajüte sah es verheerend aus, aber darum konnte sie sich noch am nächsten Tag kümmern. Müde und erschöpft ließ sie sich in die Koje fallen.
    Mitten in der Nacht kam Carl, um nach ihr zu sehen. Er küsste sie zärtlich, Wasser tropfte aus seinem Bart und den Haaren. »Wir haben es überstanden«, sagte er leise. Dann trank er einen großen Schluck Rum aus dem Flachmann, den er in der Lade hatte, und ging wieder an Deck.

19. K APITEL
    Emily weckte sie mit einem vergnügten Glucksen. Ihre kleinen Fäustchen hatte sie nach oben gestreckt. Sie griff nach den Maschen des Netzes.
    »Süße, wir haben die Nacht überlebt«, seufzte Emilia und drehte sich auf den Rücken. Immer noch ging die See hoch, doch das Schiff schien ordentlich Fahrt zu haben. Es war grau draußen, aber nicht dunkel. Sie stand auf, nahm das Kind hoch und schaute in der Kajüte auf das Chronometer. Julius hantierte in der Pantry und sah erschrocken auf, als Emilia plötzlich hinter ihm stand.
    »Ma’m«, stotterte er. »Verzeiht. Ich mache gerade Wasser für Euch heiß. Ich wollte Euch schlafen lassen. Der Smutje schickt gleich Frühstück.«
    »Ist es schon neun Uhr?«, fragte Emilia verblüfft.
    »Ja, aber die Wachen sind alle durcheinandergeraten. Heute Nacht hat kaum einer ein Auge zugetan.«
    »Gibt es große Schäden?«
    In dem Moment öffnete Carl die Tür und stapfte in die Kajüte. »Moin!« Schnaufend ließ er sich auf die Bank fallen und schüttelte das Wasser aus den Haaren. »Wo bleibt das Frühstück?« Er blickte auf und lächelte, als er Emily sah. »Na, Prinzessin, das war ein Ritt in dieser Nacht. Wie hat sie geschlafen?«
    » Palmer hat das Körbchen an der Wand befestigt und ein Netz darüber gespannt. So konnte sie sich nicht verletzen und auch nicht herausgeschleudert werden. Dein Frühstück kommt gleich, sagt Julius. Er macht gerade Wasser warm. Möchtest du dich zuerst waschen und umziehen?«
    »Nur ein paar trockene Strümpfe und eine Joppe, dann muss ich wieder raus.«
    Gleesberg kam in die Kajüte. »Das Großsegel ist zerrissen, das Topsegel haben wir verloren. Zwei weitere wurden zwischen den Zeisingen zerfetzt. Der Segelmacher ist schon bei der Arbeit. Noch können wir kein neues Top aufziehen.« Er trat an das Barometer und klopfte, schüttelte dann den Kopf.

Weitere Kostenlose Bücher