Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
»Ich fürchte, die Wetterlage wird sich noch halten. Es riecht nach Eis, ich habe einen Mann in den Ausguck geschickt.«
»Wir haben ordentlich Fahrt, wenn wir jetzt die günstigen, östlichen Strömungen erwischen, können wir das Kap schnell bezwingen.« Carl stand auf und ging in die Kammer. »Aber wir alle brauchen etwas Warmes im Bauch«, brummte er.
»Kümmert Euch um das Essen«, flüsterte Emilia dem Steward zu. »Das Wasser kann warten.«
»Aye, Ma’m.« Julius eilte an Deck.
Es gab Rührei und Speck, Brot und Schinken, dazu einen Eintopf.
Ob der Smutje die Eier hatte aufschlagen müssen?, fragte sich Emilia amüsiert. Obwohl die See deutlich höher ging als sonst, das Schiff immer wieder schlingerte und stauchte, fühlte sie sich wesentlich sicherer als in der Nacht zuvor.
Sie wickelte das Kind, stillte es in der Kammer, legte es dann wieder in das Körbchen und zog das Netz fest.
Der Steward räumte die Kajüte auf, sie half ihm dabei. Immer noch schurrten die Gegenstände über den Tisch, ihr »Gärtchen« war zu Bruch gegangen und die Erde hatte sich auf dem Boden verteilt.
»Was soll ich damit machen?«, fragte Julius.
Emilia holte tief Luft, zuckte dann mit den Schultern. »Schmeiß es weg, es ist nicht mehr zu retten und Erde werden wir in den nächsten Wochen auch keine bekommen.«
»Aber es war Euer ganzer Stolz.«
»Es ist nicht zu ändern.« Sie nahm Besen und Kehrblech und fegte den Boden, was nicht so ganz einfach war, denn kaum hatte sie etwas zusammengefegt, hob sich das Schiff und alles rutschte nach hinten, dann senkte es sich wieder.
Gegen Mittag kam der Smutje nach hinten.
»Gnädigste, habt Ihr und unsere kleine Lily alles gut überstanden?«, fragte er besorgt.
»Palmer hat eine wunderbare Konstruktion gebaut, gerade noch in letzter Minute. So lag Lily viel sicherer, als wenn ich sie hätte festhalten müssen. Es hat ganz schön geschaukelt.« Sie lächelte. »Aber wir haben es ja überstanden, bis auf einige Schäden.«
»Ja.« Piet nickte ernst.
Emilia spürte, dass etwas geschehen war. »Oder etwa nicht?«, fragte sie nach.
»Ferdinand hat sich wohl böse das Bein gebrochen. Ich habe es geschient, aber es ist ein komplizierter Bruch.«
Emilia stockte das Herz. Der kleine Ferdinand war gerade erst fünfzehn Jahre alt.
»Wird es heilen?«
»Das weiß ich nicht.« Piet seufzte. »Wenn Wundbrand kommt, müssen wir es ihm abnehmen.«
»Das darf nicht passieren.« Emilia schlug die Hand vor den Mund. »Er ist doch noch so jung.«
»Und Palmer hat sich die Schulter ausgerenkt und die Rippen geprellt. Das ist übel, denn wir brauchen ihn. Zum Glück hat derSegelmacher nichts abbekommen.« Er senkte den Kopf. »Aber um unseren Kleinen mache ich mir ernsthaft Sorgen. Er fiebert.«
»Ist er im Logis?« Emilia griff nach ihrem Schultertuch. »Julius, achte du bitte auf Lily.«
»Ihr könnt nicht mit an Deck. Es ist zu nass und windig. Immer wieder geht Wasser über. Außerdem rennt dort alles durcheinander, um die beschädigten Segel auszutauschen.«
»Natürlich kann ich mit!«, entschied Emilia und öffnete die Tür. Schon nach wenigen Schritten bereute sie, keinen Mantel angezogen zu haben. Wie Eisnadeln stach ihr der Wind in die Haut.
Sie schlingerte über die nassen Planken und klammerte sich an die Verschanzung. Die gesetzten Segel standen gut im Wind, der kräftig blies, sie rauschten nur so dahin, aber die Takelage sah zerrupft aus, als hätte ein Riese sie zerpflückt. Emilia bewunderte die Männer, die stoisch über das Deck stapften, sich gegen den Wind lehnten oder mit ihm im Rücken gingen, ohne zu straucheln.
Im Logis war es warm und stickig. Ferdinand lag in seiner Koje und wimmerte.
»Ach, du Armer.« Emilia legte ihm die Hand auf die Stirn und erschrak, der Junge glühte. Er reagierte auch gar nicht auf sie. »Hast du ihm etwas verabreicht?«
»Opium gegen die Schmerzen, ich hatte ja noch das Fläschchen.«
»Wir müssen das Fieber senken.« Sie hob die Decke an. Das verletzte Bein war verfärbt, zwei Leisten stabilisierten es, die Piet mit Leinenstreifen festgebunden hatte. »Hast du das gemacht?«
»Paulsen hat mir geholfen. Wir haben dem Jungen erst die Tropfen gegeben. Genug, dass er nichts mehr mitbekommt. Und dann habe ich versucht, den Bruch zu richten.«
Emilia strich vorsichtig über das Bein. Der Unterschenkel war gebrochen und sie konnte die Spitze des Knochens unter der Haut fühlen. »Es liegt noch nicht richtig.«
Auch der Smutje
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