Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
hier? Carl ist der Mann, den ich liebe, und er liebt mich, aufrichtig und innig. Wir wollen unser Leben gemeinsam verbringen. Irgendwann werden die Kinder größer und dann müssen sie zur Schule gehen. Dort unten sind die Handelswege kürzer. Wir müssten uns nicht auf Monate trennen.«
»Du hast dich verändert, du bist wahrhaftig erwachsen geworden«, sagte Inken und klang stolz.
»Und Rieke? Was macht sie hier?«
Inken zuckte mit den Schultern. »Sie stand eines Tages vor der Tür. Ihr Mann ist verunglückt und in Amerika hat sie sich nicht wohl gefühlt, also ist sie auf ein Schiff und wieder zurück nach Hamburg. Ich konnte sie gut gebrauchen, da Katja geheiratet hat.«
»Unsere Rieke«, Emilia lachte. »Eine richtige Weltenbummlerin.«
»Das bist ja eher du. Wann wollt ihr denn nach Australien?«
Emilia schluckte, daran mochte sie nicht denken. »Carl will erst mal allein los und vor Ort schauen, wie die Bedingungen sind. Ich soll nachkommen, wenn er meint, dass es passt. Die Fahrt dorthin ist lang. Er will über die östliche Route und auch nach Indien und Sumatra.«
»Du bleibst also erst einmal hier?«, fragte Inken freudig. »Wie schön.«
»Carl ist noch nicht oft in diesen Gewässern gewesen und im Herbst kommt das Kind.« Emilia legte die Hand auf den Bauch. »Mir würde es nichts ausmachen, es auf dem Schiff zu bekommen, Lily habe ich schließlich auch auf der ›Lessing‹ geboren.«
»Ganz allein?«
»Der Smutje hat mir geholfen. Ich habe ihn sehr ins Herz geschlossen und auch du würdest ihn mögen.«
Zwei Tage verbrachte Carl mit seiner Familie in Othmarschen. Er überzeugte sich davon, dass Emilia und Lily dort gut aufgehoben waren, dann fuhr er zurück nach Hamburg. Vieles musste erledigt werden, bevor die »Lessing« wieder in See stechen konnte.
Emilia fiel der Abschied schwer, auch wenn er versprach, alle paar Tage in Othmarschen vorbeizuschauen. Seit November 1856 waren sie keinen Tag getrennt gewesen. Zudem war es ungewohnt für sie, wieder in einem normalen Bett zu schlafen. Nichts schwankte, nichts bewegte sich. Auch Lily fehlte das Schaukeln des Schiffes sehr. Jede Nacht weinte sie sich in den Schlaf, nur wenn Emilia sie trug und wiegte, beruhigte sie sich.
»Ich kann Kufen unter das Kinderbettchen machen«, schlug Matsvor. »Eine große Wiege. Das schaukelt zwar nicht wie ein Schiff, aber vielleicht hilft es ihr.« Der Trick funktionierte ganz wunderbar.
Emilia gewöhnte sich nur langsam an das Leben an Land. Sie genoss es zwar, immer frisches Obst und Gemüse zu sich nehmen zu können, liebte den Geruch des gemähten Grases und der Blumen, aber die Weite des Meeres und des Himmels auf offener See vermisste sie sehr.
Nur Karamell und Lady schienen nichts zu vermissen. Sie jagten vergnügt über die Weiden und Wiesen, schliefen im Hof in der Sonne.
Jeden Tag besuchte Emilia ihre Mutter für eine Weile und sprach mit ihr. Immer wieder fragte Anna nach ihrem Mann, wollte nicht begreifen, dass er gestorben war.
Einmal, Anna schien es recht gut zu gehen, fuhr Emilia mit ihr nach Ottensen zur Kirche und zeigte ihr die kleinen Gräber. Doch Anna stand völlig ungerührt davor.
»Schau«, sagte sie schließlich, »da liegt Klopstock. Er war ein großer Dichter.« Dann ging sie zurück zur Kutsche.
Hin und wieder konnten sie Anna dazu bewegen, sich vor das Haus in die Sonne zu setzen. Emilia gesellte sich dann dazu, Inken brachte ihr das Stricken bei. Lily spielte im Gras.
So, wie Carl es versprochen hatte, kam er sie alle paar Tage besuchen. Ende Juni sollte das Schiff aus dem Dock kommen und dann wollte Carl in See stechen. Die meisten Männer der Mannschaft hatten wieder angeheuert, auch die beiden Steuerleute.
Sie würden abends zusammen in der Kajüte sitzen, Tee mit Rum trinken, sich Geschichten erzählen und gegenseitig aus Büchern oder Periodika vorlesen. Die Glasen würden geschlagen, die Wache würde Bericht geben. Am Morgen würde Carl seinen Gang über das Schiff machen und die Takelage kontrollieren. Bei gutem Wetter säße der Segelmacher an Deck und würde die Segel flicken, während die Matrosen Wetten über die Schweine und Hühner abschlössen und Leinen zum Fischen auslegten. Und sie, Emilia, wäre nicht dabei. Sie vermisste das ruhige, manchmal eintönige, hin und wieder aufregendeLeben an Bord jetzt schon und konnte den Gedanken nicht ertragen, hier zu sitzen, während Carl auf hoher See war. Aber es war nicht zu ändern, denn er ließ sich von seinem
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