Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
schickte eine Nachricht, dass das Schiff nun aus dem Hafen geschleppt würde. Es war ein sonniger Sommertag und Inken bereitete ein Picknick vor.
»Wir gehen alle ans Ufer. Rieke kann sich um Lily kümmern und du bist nicht allein«, hatte sie beschlossen. Auch Julius und Anna kamen mit.
»Wo gehen wir hin?«, fragte Anna unwirsch.
»Wir machen eine Partie an den Elbstrand«, erklärte Emilia ihr. »Das hast du früher immer gerne gemacht.«
»Unfug«, schimpfte Anna, kam aber dann doch mit. Mats hatte einen kleinen Wagen beladen und brachte einen Klappstuhl für Anna, den Picknickkorb und eine Zinkwanne mit Eis für die Getränke mit.
Sie breiteten Decken am Ufer aus, stellten den Stuhl für Anna in den Schatten und schauten auf die Elbe und die vielen Schiffe, die vom Hafen kamen oder in ihn einliefen. Es war eine ausgelassene Stimmung, nur Emilia konnte sich nicht freuen.
Julius zog Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosen hoch und nahm Lily mit zur Wasserkante. Sie quietschte und schrie vor Vergnügen, platschte, fest von ihm gehalten, durch die seichten Wellen.
»Man merkt ihr an, dass sie ein Wasserkind ist, auf dem Meer geboren«, sagte er lachend.
Plötzlich sah sie den vertrauten Flögel, die Rahen und Takelage. Emilia stand auf, konnte den Blick nicht vom Schiff wenden. Der Schlepper hatte es schon von den Leinen gelassen, stolz segelte die »Lessing« dahin. Als sie auf ihrer Höhe war, konnte Emilia die Mannschaft sehen, die sich an der Reling aufgestellt hatte.
»Hipp, hipp, hurra für unsere Frau Kapitän!«, scholl es über das Wasser.
Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten, winkte, so fest es ging, mit einem großen Tuch, wischte sich immer wieder die Augen und wandte den Blick nicht vom Schiff, bis es in der Ferne verschwand.
Dann ließ sie sich erschöpft auf die Decke gleiten. Nun war er fort, der Mann, den sie so sehr liebte, dass es fast weh tat. Lily kam zu ihr gekrabbelt, patschte ihr mit den Händchen ins Gesicht.
»Mama!«
Es war das erste Mal, dass sie wirklich »Mama« sagte. Nun mischte sich Lachen in das Weinen. Emilia drückte ihre Tochter an sich. Du verstehst noch nicht, dass Papa weg ist. Aber wir werden ihm folgen, das verspreche ich dir, dachte sie.
Es war ein heißer, träger Sommer. Julius wohnte nun in Hamburg, in dem prächtigen Haus, in dem auch Emilia viele Jahre gelebt hatte.Sie wünschte ihm, dass er dort glücklicher werden würde, als sie es gewesen war. An den Wochenenden kam er meist nach Othmarschen geritten. Ohne es abgesprochen zu haben, erwähnten sie die Familie in Hamburg nie. Nur einmal fragte Emilia nach Jasper und Mathilda.
Er rümpfte die Nase. »Jasper ist ein arroganter Flegel. Er behandelt die Dienerschaft schlecht. Die Mamsell hat gedroht zu kündigen. Der Onkel überlegt nun, Jasper in ein Internat zu geben. Mathilda ist ein ganz stilles Mädchen, über sie weiß ich leider gar nichts zu sagen.«
Es tat Emilia leid, dies zu hören. Sie hatte die beiden immer gemocht. Vielleicht hätten sie sich anders entwickelt, wenn ich dort geblieben wäre, dachte sie traurig.
Manchmal ging Emilia im Morgengrauen, noch bevor die Hitze sich wie eine Decke über das Land legte, zum Nutzteich und schwamm eine Runde. Das kühle Wasser erfrischte sie. Ihre Füße waren inzwischen wieder angeschwollen und auch ihr runder Leib machte ihr zu schaffen. So manches Mal, wenn sie aus dem Teich stieg, stand ihre Mutter unter dem großen Apfelbaum auf der Wiese und beobachtete sie. Sobald Emilia auf Anna zuging, drehte diese sich um und ging zurück ins Haus. Sie verlor nie ein Wort darüber.
Jeden Abend brachte sie Lily zu Bett, erzählte ihr von Carl und dem Leben auf dem Schiff.
»Der Steward serviert das Essen. Manchmal kocht er auch eine Kleinigkeit in der Pantry. Ich koche dort Pudding, denn weder der Smutje noch der Steward beherrschen das«, erzählte sie. »Wobei wir jetzt einen neuen Steward haben, den ich noch nicht kenne. Und wer weiß, wer noch bei der Mannschaft sein wird, wenn wir an Bord gehen.«
Lily schaute sie mit müden Augen an und schaukelte sich dann in ihrem Wiegenbett in den Schlaf.
Wenigstens sie kann sich die Erinnerung an die Dünung so bewahren, dachte Emilia froh.
Die Tage vergingen, der Herbst kam. Noch blieb die Wärme über Tag, doch am frühen Morgen bildete sich so viel Tau, dass man meinte,es hätte geregnet. Emilia und Rieke gingen die Säuglingssachen durch, die Emilia für Lily genäht hatte. Manches wurde beiseite
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