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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Vorhaben nicht abbringen und sich auch nicht erweichen, sie doch mitzunehmen.
    »Sei vernünftig, Emma. Denk an die Kinder. Lass mich erst mal alles erkunden. Ich werde dir schreiben, so oft es geht.«
    Der Tag seiner Abreise rückte immer näher. Doch zuvor kam die Nachricht, dass ihr Bruder Julius aus England zurückkehren würde. Das Haus wurde geschrubbt und ein Zimmer wurde für ihn vorbereitet. Er bekam das Schlafzimmer des Onkels, das sehr fein ausgestattet war, so, wie es sich für den Hausherrn gehörte. Inken plante ein großes Essen, Emilia half ihr, so gut sie konnte.
    »Nu musst Ihr Euch nich uppslatte, is doch nur Euer Broor, der kümmt.« Rieke grinste.
    »Ja, mein Bruder. Aber ihm gehört nun das Haus, und wenn es ihm gefällt, kann er mich vor die Tür setzen«, seufzte Emilia.
    »Lasst Euch nich Bange machen, dat wird er schon nich tun.«
    Rieke hatte sich wieder eingelebt, so, als wäre sie nie weg gewesen.
    »Vermisst du deinen Mann nicht?«, fragte Emilia verwundert.
    »Ooch, nö. Dat war ne feine Tied. Aufregend war dat. Aber nu bin ik too oll für so Abenteuer.«
    »Alt?« Emilia lachte laut heraus. »Du bist jünger als ich.«
    »Hab genug sehn. Dat reicht für en Leven.«
    Carl sollte Julius an der Werft treffen und dann mit ihm nach Othmarschen fahren. Würden die beiden sich verstehen?, fragte Emilia sich. Oder würde Julius Carl mit der gleichen Herablassung behandeln, wie Onkel und Tante es getan hatten?
    Voller Sorge stand sie oben auf dem Deich und schaute auf die Elbchaussee. Viele Kutschen fuhren die Elbe entlang, doch kaum eine bog nach Othmarschen ab. Dann endlich sah sie die Kutsche des Hofes, erkannte die beiden Pferde. Eilig drehte sie sich um und lief zurück zum Haus.
    »Sie kommen.«
    Inken holte gerade einen Kuchen aus dem Ofen. »Ganz ruhig«, sagte sie. »Es wird schon gutgehen.«
    Anna, die die Aufregung mitbekommen hatte, ging in den Hof. »Martin? Kommt Martin endlich nach Hause?«
    »Nein, Mutter.« Emilia nahm sie am Arm und wollte sie zurück ins Haus ziehen, doch die alte Frau stemmte sich entschlossen dagegen und wandte sich aus dem Griff. »Ich warte hier, bis Martin da ist.«
    »Julius kommt«, sagte Emilia sanft. »Weißt du, wer das ist?«
    Anna kniff die Augen zusammen, dann erhellte sich ihr Gesicht. »Julius ist mein Sohn. Mein einziges Kind, das letzte, das mir geblieben ist.«
    Emilia hatte aufgegeben, ihrer Mutter zu erklären, wer sie war. Anna wollte sich nicht an sie erinnern – doch das tat weh.
    Karamell lief laut bellend zur Einfahrt, begrüßte die Kutsche. Die Türen öffneten sich und ein junger Mann, gefolgt von Carl, stieg aus.
    Er hatte braune Locken und blaue Augen, so wie sie. Allerdings war er sehr hochgewachsen und tatsächlich sehr stattlich für seine sechzehn Jahre.
    »Emma?« Er lächelte sie an, zögerte kurz. Emilia ging auf ihn zu, überwältigt von ihren Gefühlen. Julius, ihr kleiner Bruder, dem sie das Laufen und das Sprechen beigebracht hatte.
    »Ach, Emma, ich wollte dich immer und immer kennenlernen.« Er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich. Sie konnte seinen aufgeregten Herzschlag fühlen, roch den Duft seiner Haut.
    Endlich habe ich wieder Familie, dachte sie froh.
    Schließlich ließ er sie los, betrachtete sie staunend.
    »Du bist so eine schöne Frau. Deinen Mann habe ich schon kennengelernt, er ist prächtig. Du hast anscheinend eine gute Wahl getroffen.« Dann schaute er über ihre Schulter und seufzte. »Mutter!«
    Anna sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Du bist nicht Martin«, sagte sie und ging zurück ins Haus.
    »Ich hatte gehofft«, sagte er traurig, »dass sie sich hier wieder erholen würde.«
    »Körperlich geht es ihr besser«, sagte Emilia. Sie hatte Carl begrüßt, nahm ihn bei der einen und Julius bei der anderen Hand. »Aber ihr Geist ist vernebelt. Sie erkennt mich nicht und fragt ständig nach Vater. Ich war sogar mit ihr auf dem Friedhof. Das Grab Klopstocks kannte sie, aber von den Familiengräbern wollte sie nichts wissen. Früher war sie oft dort, manchmal fast täglich.«
    »An diese Dinge kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an dich«, gestand Julius. »Einmal waren wir in Hamburg, da war ich acht oder neun und du warst vierzehn. Ich konnte nichts mit dir anfangen, du warst eine Fremde für mich.«
    Emilia schluckte. »Ich erinnere mich an den Besuch. Ich hatte so gehofft, dass die Eltern mich mit nach England nehmen würden, aber sie taten es nicht. Und ja, du konntest mit mir

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