Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Kajüte führte. Dort, unter dem Vordach, blieb sie stehen und schaute Richtung Bug.
»Endlich«, sagte Kapitän Decker hinter ihr. Emilia zuckte zusammen.
Er stand neben ihr, den Kragen der dunklen Jacke hochgeschlagen, die Mütze tief in die Stirn gezogen, sie hatte ihn gar nicht bemerkt.
»Eimer, los, los!«, rief der erste Steuermann. Die Mannschaft hatte jede Ritze der Verschanzung verstopft und schöpfte nun das Wasser auf. Fass um Fass wurde gefüllt.
Decker ging die drei Stufen nach oben. »Luken dicht!«, brüllte er, kehrte dann wieder zu Emilia zurück. »Ich hatte die Luken aufgelassen, damit sie unten auch Frischwasser bekommen und der Boden reingeschwemmt wird.«
»Nehmen wir dann nicht zu viel auf?«
»Nein. Was zu viel ist, wird später rausgelenzt oder läuft durch die Speigatt ab. Einiges wird in die Bilge laufen, aber das stört uns nicht. Es war so trocken da unten und dreckig, da ist es nur gut, wenn es mal durchgespült wird. Die haben zwar Seewasser genug zum Putzen, nutzen es aber nicht ordentlich.« Er rümpfte die Nase.
»Ich habe sie gesehen, gestern, als sie an Deck waren. Manche sindnur noch Haut und Knochen und können sich kaum auf den Beinen halten. Die Kinder sind besonders schlecht dran«, sagte Emilia leise.
»Wir können es nicht ändern, Gnädigste. Wir tun ja schon, was wir können.« Er stapfte wieder nach oben, schaute in die Takelage. »Abbrassen und Segel einziehen!«, brüllte er. Er drehte sich um und nickte ihr zu, verschwand dann aufs Oberdeck zum Steuer.
Die Windböen ließen nach und auch der Regen fiel jetzt nicht mehr so heftig. Emilia kehrte zurück in die Kabine, hängte die tropfende Jacke an den Haken neben der Tür. Der Seegang war hoch, aber nicht unregelmäßig oder stampfend. Lily spielte vergnügt auf dem Bett mit ihrer Puppe, Minnie war auf Riekes Arm eingeschlafen, die Hündin lag unter dem Sofa.
»Wenn es weiter regnet, können wir morgen alle ein Bad nehmen«, sagte Emilia vergnügt. Zwar gab es genügend Seewasser, das auch zum Baden genutzt werden konnte, aber Emilia hatte immer das Gefühl, dreckiger und klebriger als zuvor aus dem Salzwasser zu steigen.
Am nächsten Morgen schien die Sonne wieder und trocknete alles. Die Auswanderer durften Leinen ziehen und ihr Hab und Gut an Deck trocknen. Tatsächlich war der Gestank, der aus den Luken nach oben stieg, wesentlich weniger geworden, stellte Emilia fest. Sie hatte die armen Leute bedauert, auf die das Wasser durch die Luken geprasselt war, war nun aber froh darüber, dass es etwas genutzt zu haben schien.
Rieke hatte sich mit einigen der Frauen angefreundet und traf sie, wenn sie an Deck kamen. Damit die Kabinenpassagiere nicht durch den Anblick der einfachen Leute gestört wurden, war eine Persenning als Sichtschutz gezogen worden. Meist saßen Emilia und Antonie sowieso auf dem Hinterdeck unter dem Sonnensegel und handarbeiteten. Dort wurde nun, da es stetig wärmer wurde, auch der Tee serviert. Die Kinder liebten es, an Deck zu spielen, wobei es Lily immer wieder nach vorn zog.
Die Männer trafen sich lieber im Rauchsalon, was Emilia gar nicht bedauerte.
Alle paar Tage ging nun ein warmer Schauer nieder, jedes Mal wurden die Fässer aufgefüllt. Sie näherten sich St. Helena.
»Dort werden wir vor Anker gehen und unsere Vorräte auffüllen«, erklärte Kapitän Decker. »Es gibt zudem die Möglichkeit, Post aufzugeben, und hoffentlich werden wir auch welche erhalten.«
Das hoffte Emilia sehr. Da Carl ihre Route kannte, würde er sicherlich dorthin geschrieben haben.
Manchmal lag sie nachts im Bett und stellte sich sein Gesicht vor. Mit Schrecken hatte sie bemerkt, dass ihre Erinnerung an ihn zu verblassen drohte. Doch bald, das sagte sie sich, würden sie sich wiedersehen.
Die Insel kam in Sicht, Emilia konnte sie schon riechen, als noch der Morgennebel über der See lag. Kaptauben flogen an Bord und Tölpel setzen sich in die Takelage. Gespannt beobachteten alle, wie die Insel näher kam, und endlich lagen sie in der Bucht vor Anker. Etliche kleine Boote, die die »Sophie« schon erwartet hatten, schossen längsseits und boten ihre Ware feil.
»Trade, Ma’m, Master. Trade«, riefen die Leute auf den Booten und hielten frische Früchte und Gemüse hoch.
Te Kloot machte sich einen Spaß daraus, die Preise tiefer und tiefer zu treiben, und kaufte zum Schluss doch nichts. Enttäuscht wandten sich die Händler ab.
Kapitän Decker ließ sich zum Ufer rudern, kam erst ein paar
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