Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
haben sie auch einfach kein Geld, haben die letzten Taler für die Überfahrt zusammengekratzt oder sich geliehen. Ich nehme schon weniger Passagiere an Bord als andere Schiffe, damit es nicht so eng ist. Und ich sorge für guten, nahrhaften Proviant. Aber auch ich muss leben und einen Gewinn machen.«
»Das verstehe ich. Aber gibt es nicht irgendetwas, was wir tun können?«
»Beten, dass es bald regnet und der Wind auffrischt.«
Eine weitere Woche ohne Regen verging, doch dann endlich tauchten dunkle Wolken am Horizont auf. Immer wieder wanderten die Blicke zum Himmel, versuchten zu erkennen, ob die Wolken näher kamen. Die Matrosen kletterten Wanten hoch und schwangen sich in die Rahen. Sie lösten die Zeisinge und hissten jedes Segel.
»Der Wind steht gut«, meinte Decker und schaute zum Flögel. »Es hat aufgefrischt. Wir machen gute Fahrt und die Wetterfront kommt auch näher. Ihr solltet alles sichern.«
»Wird es sehr stürmisch werden?« Antonie te Kloot nahm das Riechfläschchen aus ihrer Tasche und hielt es sich unter die Nase.
»Das kann ich noch nicht abschätzen. Es wird sicherlich mehr Wellengang geben, die Dünung hat ja jetzt schon zugenommen. Aber nichts, worüber Ihr Euch sorgen müsstet.«
»Kommt«, sagte Emilia beruhigend, »ich zeige Euch, wir Ihr Eure Sachen am besten verstaut.«
Es war das erste Mal, dass sie die Kabine der te Kloots betrat. Sie hatte ein ungutes Gefühl dabei und ließ die Tür zum Deck offen. Die Kabine war peinlich sauber aufgeräumt. Auf dem Waschtisch standennur wenige Flakons, zwei Bürsten und ein Kamm lagen daneben. Auch in den Regalen war kaum etwas verstaut.
Emilia gab ihr ein paar Hinweise. »Viel müsst Ihr nicht tun, es kann ja nichts schurren oder fliegen, wenn nichts da ist«, sagte sie lachend. »Bei mir sieht es doch anders aus, dafür sorgen schon die Mädchen.«
Antonie senkte den Kopf. Emilia wusste, dass sich ihre Freundin sehnlichst ein Kind wünschte, dieser Wunsch aber noch nicht in Erfüllung gegangen war. Sie strich ihr tröstend über den Arm, es gab keine Worte, die Trost spenden würden. Schnell eilte sie auf die andere Seite des Decks, wo ihre Kabinen waren. Die Dünung hatte zugenommen und die eine oder andere Welle peitschte schon über die Verschanzung, Gischt machte das Deck feucht und glitschig. Eilig räumten Rieke und sie die Sachen weg, verstauten alles in die Kästen und Kisten, schütteten das Waschwasser über Bord. Emilia überlegte, wie sie die Kinder sichern konnte. Aber es gab keine Möglichkeit, Netze an den Betten zu spannen.
»Wir polstern die Ecken mit den Decken aus«, sagte Emilia und holte die Daunendecken aus dem Kasten, wo sie sie verstaut hatten, als es wärmer wurde. »Wenn es ganz arg wird, legst du dich mit Minnie in das eine Bett – das Kind zur Wand –, und dann hältst du sie fest, stemmst dich mit den Füßen gegen die Wand. Und ich nehme Lily.«
»So arg wird’s werden?« Rieke schaute sie verängstigt an.
»Nur zur Vorsicht. Ich glaube nicht, dass das ein schlimmer Sturm wird. Es sieht eher nach Regen aus.« Sie überlegte. »Wir sollten jetzt alle noch etwas Leichtes essen, damit unser Magen nicht ganz leer ist. Nicht zu viel, bloß ein wenig.«
Der Steward stand in der Pantry und kochte Tee. »Kann ich Euch helfen, Ma’m??«
»Ihr habt vermutlich ordentlich zu tun, aber könnt Ihr den Smutje fragen, ob er vielleicht eine Brühe oder leichte Suppe hat?«
»Hab ich schon.« Jannes Kraus lächelte. »Es wird gleich serviert. Er hat zwei der Hühner geschlachtet, schon heute Morgen.«
Emilia aß mit Rieke und den Kindern zusammen in der Kabine. Minnie wollte nicht viel essen. Immer wieder schaute sie ängstlich zum Fenster. Die Wolken standen nun über dem Boot, so niedrig, dass man glaubte, der Topmast würde sie auseinanderreißen. Es war windiger geworden, aber nicht kabbelig. Das Schiff hob und senkte sich mit der See, lag aber gut im Wind und rollte nicht. Plötzlich regnete es und prasselte. Ein Gerenne und Getrappel war an Deck, dass Emilia ganz mulmig wurde. Sie hob Lily von ihrem Schoß und drückte sie Rieke in die Arme, nahm den Wachsmantel und öffnete die Tür. Die Luft war frisch und roch herrlich nach süßem Regen, doch es war fast, als würde man in ein Bad eintauchen. Keine einzelnen Tropfen fielen, es war eine Wasserwand, die niederging.
»Mehr Fässer!«, schallte es über das Deck. Emilia drückte sich an die Wand des Aufbaus und schob sich zur Treppe, die hinunter in die
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