Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
solltet?«
»Nein, wauum?« Er streckte die Hand aus, berührte Emilia an derSchulter. »Du bissss so schööön und viel lebändiga als meine Frau. Isch möchte dich küsssn.«
»Aber Herr te Kloot, das gehört sich nicht.« Langsam ging sie Schritt für Schritt seitwärts. »Ich glaube, Ihr habt zu viel getrunken.«
Er lachte auf, es klang nicht freundlich. »Jaaa un? Bin ein Mann, Männa müssn manchmal trinken. Nu komm, hab disch nich sooo. Du vermisss das doch auch. Zwai Jahr ohne Kerl? Bis sicha ganz vertrocknet. Komm, isch hälf dir …«
Inzwischen hatte Emilia Angst. Was, wenn er sie packen würde? Vorn auf dem Schiff wurde noch lautstark gefeiert, würde es jemand hören, wenn sie um Hilfe rief? Hatte jemand außer te Kloot mitbekommen, dass sie ans Heck gegangen war? Was sollte sie tun? Noch einmal appellierte sie an seine Vernunft, fürchtete jedoch, dass dies nicht durch sein vernebeltes Hirn dringen würde.
»Herr te Kloot, ich werde jetzt zu meinen Kindern gehen und Ihr solltet auch Eure Kabine aufsuchen. Es ist schon spät.«
»Ach!« Er machte eine wegwerfende Handbewegung, sprach plötzlich wieder klarer. »Da ist nur meine Frau und die leidet immer noch. Nun komm doch her, ich verkürze dir die Wartezeit, bis du wieder bei deinem Mann bist.« Er leckte sich über die Lippen. »Du süßes Früchtchen.«
»Lasst mich in Ruhe!«, rief Emilia nun laut und energisch. »Sonst werde ich den Kapitän rufen.«
Wieder lachte te Kloot. »Der hört dich nicht. Hier hört dich niemand!« Er machte einen großen Schritt auf sie zu, sie konnte seinen alkoholgeschwängerten Atem auf ihrem Gesicht fühlen, rümpfte angewidert die Nase. Er wollte nach ihr greifen, doch das Schiff holte in diesem Moment über und legte sich nach steuerbord. Emilia hatte den Wind gespürt, den Ruck der Segel, und sich instinktiv nach hinten gelehnt. So strauchelte sie nur ein wenig. Te Kloot jedoch rutschte zur Seite und krachte auf den Boden.
»Verdammich!«, brüllte er.
»Ma’m?« Der zweite Steuermann tauchte plötzlich am Backstag auf. »Ist Euch etwas passiert?«
»Mir nicht«, sagte Emilia und holte tief Luft. Dann zeigte sie auf te Kloot. »Dieser Herr hat wohl etwas zu sehr dem Alkohol zugesprochen.«
»Hat er Euch etwas getan?«, fragte Tom Wartmann leise.
Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich gehe in meine Kabine, vielleicht könnt Ihr Euch des Trunkenbolds annehmen.«
Wartmann nickte, sah zu te Kloot, der versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. »Soll ich Euch begleiten?«
»Passt lieber rauf, dass er nicht über Bord geht. Danke.« Sie nickte ihm zu und ging. An diesem Abend verriegelte sie zum ersten Mal die Tür.
Te Kloot erschien am nächsten Tag erst zum Mittag. Er sah sehr bleich aus, aß nicht viel, blieb wortkarg. Auch in den nächsten Tagen hielt er sich sehr zurück. Trotzdem versuchte Emilia ihm, so gut es eben ging, aus dem Weg zu gehen. Keiner von beiden erwähnte den Abend, und sie war sich noch nicht einmal sicher, ob er sich überhaupt daran erinnern konnte. Der Schreck saß ihr tief in den Knochen, und sie ging nicht mehr allein auf das Hinterdeck, auch wenn sie die ruhigen Momente vermisste.
Eine große Sorge herrschte bald an Bord. Die Regenfälle, die normalerweise nach dem Überqueren des Äquators einsetzten, waren ausgeblieben. Das Wasser wurde rationiert. Das betraf erst mal nur die Auswanderer und nicht die Kabinenpassagiere, doch der Kapitän wirkte beunruhigt.
Jeden Tag stand er an Deck und schaute in den Himmel, aber keine Wolke wollte heranziehen. Auch war der Wind schwächer als gewöhnlich in dieser Region.
»Wir müssen St. Helena erreichen. Oder beten, dass es endlich regnet. Wir haben schon die Süßwasservorräte eingeschränkt, für die Unterdeckpassagiere haben wir das Wasser sogar rationiert, aber das wird uns nicht lange helfen. Zumal die Verhältnisse dort unten immer schlimmer werden.«
»Kann man da nichts machen?«, fragte Emilia.
Er zuckte mit den Schultern. »Sie haben die Möglichkeit, sich Proviantmit an Bord zu nehmen. Wir sorgen nur für das Nötigste. Einige haben das nicht getan, sie hungern nun, da das Essen nicht ausreicht. Oder sie haben sich minderwertige Lebensmittel mitgebracht, voller Kakerlaken und Fliegen, zum Teil schon verdorben. Und davon werden sie krank.«
»Aber das ist doch furchtbar.«
»Es ist jedes Mal dasselbe«, seufzte er. »Man kann sie darauf hinweisen, sie warnen, aber sie nehmen die Warnungen nicht ernst. Manchmal
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