Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Stunden später zurück. Emilias Herz klopfte aufgeregt, als er die Post auf den Tisch der Kajüte legte. Vier Briefe von Carl waren gekommen. Sie hatte Decker ihre Post mitgegeben, so, wie die anderen Reisenden auch.
Die Dämmerung fiel schnell ein. Es herrschte ein unruhiges Treiben an Bord – Ware wurde verladen, Handel getrieben. Decker hatte die Auswanderer eindringlich aufgefordert, ihren Proviant aufzustocken. Der zweite Steuermann sollte darauf achten, dass sie nicht übervorteilt wurden. Auch hatte er den Smutje angewiesen, Kohl und Obst zu kaufen, Fleisch und Milch.
Emilia nahm die Briefe an sich, schaute suchend über das Deck.Seit dem Abend der Äquatorquerung war sie nicht mehr auf dem Hinterdeck am Backstag gewesen. Wartmann, der zweite Steuermann, sah ihren Blick und die Post in ihren Händen. Er nickte ihr zu. »Geht ruhig, ich werde ein Auge auf den Gang haben«, sagte er und lächelte. »Dort lese ich auch immer die Briefe meiner Liebsten. Nirgendwo an Bord ist man so ungestört. Meistens zumindest.«
Emilia atmete erleichtert auf.
Carl ging es gut, die Geschäfte entwickelten sich. Auch hatte er ein kleines Häuschen für sie gefunden und gekauft. Die Einrichtung, so schrieb er, war schlicht, aber zweckmäßig.
Sein letzter Brief jedoch ließ Emilia den Atem stocken.
»Meine Liebste,
ich habe wunderbare Nachrichten für uns. Ich habe einen guten Agenten gefunden, der mir viele Orders verspricht. Regelmäßige Orders in hiesigen Gewässern bis hoch in die chinesische See und nach Singapur. Es klingt alles fast zu gut, um wahr zu sein. Es ist ein Deutscher, der vor zwei Jahren hierhergekommen ist, ein Herr Beckerath. Seinen Kompagnon kennst du schon – Herr te Kloot. Er reist zusammen mit dir, das ist kein Zufall, das ist Schicksal. So kennst du nun schon einen der beiden Männer, auf die wir in Zukunft bauen können, von denen unsere geschäftliche Entwicklung abhängt. Ich habe den Kontrakt unterschrieben, was dich sicherlich freut. So ist unser Leben für die nächsten Jahre gesichert.«
Sie ließ den Bogen sinken, schluckte. So sehr hatte sie gehofft, te Kloot am Ende dieser Reise nie wiedersehen zu müssen, doch nun schienen ihre Leben für etliche Jahre miteinander verbunden zu sein. Antonie war eine gute Freundin geworden und sie hatte auch Kontakt zu ihr halten wollen, jedoch nicht zu ihrem Mann. Und nun musste sie freundlich zu ihm sein, womöglich auch noch liebenswürdig. Ein dicker Kloß saß ihr im Hals, denn sie verabscheute te Kloot.
Als sie zum Abendessen in die Kajüte kam, strahlte ihr te Kloot schon entgegen und schwenkte einen Brief.
»Mein Kompagnon hat mir geschrieben. Wisst Ihr es auch schon?Euer Gatte hat einen Vertrag mit ihm unterzeichnet. Er wird unser Geschäftspartner. Wir werden uns also auch in Sydney noch oft treffen.«
Antonie nickte begeistert. »Ist das nicht schön, meine Liebe? Und so ein Zufall, dass wir uns schon auf der ›Sophie‹ kennengelernt haben.«
»Ja«, sagte Emilia leise. Sie brachte kaum etwas von dem köstlichen Essen herunter. Jetzt, das war ihr klar, musste sie doppelt so vorsichtig sein.
23. K APITEL
Am nächsten Tag stachen sie wieder in See, nun ging es zum Kap der Guten Hoffnung. Das Meer änderte seine Farbe, es war nun mehr grün als blau. Sie kamen in die reichen Fischgründe vor Afrika und hatten fast jeden Tag eine ordentliche Ausbeute an den Leinen, die auch den Auswanderern zugutekam. Zwei Monate waren sie nun unterwegs und knapp drei weitere würden sie noch auf See sein. Die Lage der Aussiedler hatte sich etwas verbessert, aber als sie im Indischen Ozean waren und südliche Richtung einschlugen, traten die ersten schweren Fälle von Diarrhö im Zwischendeck auf. Eine Frau und ein älterer Mann starben, auch ein Kind war dem Tod nahe.
Doktor Geisler kümmerte sich um die Erkrankten, hatte aber wenig Hoffnung. »Einige von ihnen sind zu geschwächt. Da kann man nicht viel machen. Vermutlich haben sie verdorbenes Wasser getrunken oder den Fisch zu lange liegen lassen.«
»Aber warum sollten sie das tun? Es gibt doch fast täglich frischen Fisch!«, sagte Emilia verwundert.
»Wer weiß, wie lange noch? Ich habe dort unten unter den Matratzen Brotreste gefunden, die steinhart sind – als Notfallreserve. Sie haben den Wassermangel noch deutlich vor Augen und wollen lieber alles horten, als es zu schnell zu verbrauchen.«
»Das ist doch der reine Wahnsinn«, murmelte Emilia traurig.
»Ihr könnt sie nicht ändern,
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