Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
wach, Liebes?«, fragte er und nahm sie zärtlich in den Arm.
»Ich bin traurig, weil du schon so bald wieder aufbrichst, aber ich kann es verstehen.«
»Diesmal wird es nur eine kurze Tour, sie bringt aber Geld. Ich werde Insulaner von Neuguinea nach Queensland zu den Zuckerrohrfeldern bringen.«
Emilia schnappte überrascht nach Luft. »Blackbirding? Das wolltest du doch nie machen.«
»Ich weiß«, sagte er betrübt und ließ sich in sein Kissen zurücksinken. »Es verstößt gegen mein Gewissen, aber die Bezahlung ist unschlagbar. Die ›Centennial‹ ist noch nicht abbezahlt und die anderen Charter, die es im Moment gibt, bringen nicht genug ein.«
»Blackbirding« nannte man den Transport von Insulanern, die, meist gegen ihren Willen, auf die großen Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in Queensland verfrachtet wurden. Auch wenn die Insulaner einen Arbeitsvertrag über drei Jahre bekamen, war es im Grunde eine Art der Sklaverei, das wusste Emilia. Sie hatten sich oft darüber unterhalten, denn tatsächlich war es für die Reedereien und Kapitäneein sehr lukratives, wenn auch gefährliches Geschäft. Nicht selten wehrten sich die Gefangenen, die mit Alkohol willig gemacht und betrunken an Bord gebracht wurden, heftig, wenn sie aus ihrem Rausch erwachten und ihre Lage erkannten. Die Zustände auf den Plantagen waren grauenvoll. Giftige Schlangen lebten auf den Feldern, die Verpflegung und die Unterkünfte waren spartanisch, viele Arbeiter starben qualvoll.
»Es ist … gefährlich«, sagte sie tonlos.
»Ja, das ist mir bewusst, Liebes.« Auch Carl klang ernst. »Aber ich muss es machen. Nur dieses eine Mal. Die Tour wird mir so viel Geld einbringen, dass wir Zeit zum Luftholen bekommen und ich auf bessere Charter hoffen kann. Ich mache es nicht gerne, weiß Gott nicht. Und wenn ich ein anderes, ähnlich gutes Angebot hätte, so würde ich das lieber annehmen.«
»Und wenn dir etwas zustößt?«
»Die Fahrt ist gut versichert.«
»Ach Gott, Carl. Wie kannst du so etwas so leichtfertig sagen? Ich brauche kein Geld. Ich brauche dich, und die Kinder brauchen dich auch.« Tränen stiegen ihr in die Augen und das Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu. Sie drückte sich an ihn, küsste ihn. »Ich brauche dich. Ich liebe dich so sehr.«
»Ich dich auch.«
In dieser Nacht schliefen sie kaum. Es war, als müssten sie sich gegenseitig noch einmal bis zur Neige auskosten.
Emilia beschloss, Carl noch nichts von Minnies Plänen zu erzählen. Sie nahm ihre Tochter beiseite und führte ein ernstes Gespräch mit ihr.
»Papa wird eine Blackbirdingtour machen.«
»Oh nein! Das ist ja lebensgefährlich«, rief Minnie entsetzt aus.
»Ja, aber er hat keine andere Wahl. Weil das so ist, und weil er in Gedanken schon voller Sorge auf dieser Tour ist, habe ich ihm noch nichts von Rudolph te Kloot gesagt.« Sie musterte ihre Tochter. Minnie nickte verständnisvoll. »Auch denke ich, dass es falsch wäre, teKloot in diesen Tagen einzuladen. Wenn Papa angespannt ist, dann ist er nicht besonders aufgeschlossen anderen gegenüber.«
Enttäuscht senkte Minnie den Kopf. »Ich weiß, dass du recht hast, Mama. Ich hatte nur so gehofft …«
»Er wird nicht so lange fort sein, dieses Mal. Wenn er zurück ist und alles gut verlaufen ist, holen wir die Einladung nach. Glaub mir, es ist besser so.«
»Ja.«
»Ich möchte, dass er seinem zukünftigen Schwiegersohn mit Wohlwollen entgegentritt, Minnie.«
Minnie hob den Kopf und schaute ihre Mutter an. »Das heißt, du bist nicht gegen diese Verbindung?«
Emilia schüttelte den Kopf. »Du bist meine Tochter und ich kenne dich. Du handelst nicht überstürzt, sondern immer überlegt. Du hast dir Zeit gelassen, um dich zu entscheiden. Ihr habt beide nachgedacht und eine Zukunft für euch gefunden.«
»Ach, Mama!« Minnie fiel ihr um den Hals.
»Ihr habt gemeinsame Träume und du folgst deinem Herzen, so, wie ich meinem Herzen gefolgt bin. Papa wird das verstehen. Vielleicht braucht er ein wenig Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, aber er wird es verstehen.«
»Ich hoffe es so sehr«, seufzte Minnie.
Carl stach in See. Die nächsten Wochen wartete die ganze Familie beklommen auf Nachrichten. Er kabelte zweimal, bevor er Neuguinea anfuhr, danach hörten sie nichts mehr von ihm. Die Zeit wurde Emilia sehr lang und jeden Abend zündete sie eine Kerze im Fenster neben der Haustür an. Es war ein Aberglaube, der den Seeleuten den sicheren Weg nach Hause zeigen sollte.
Auch
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