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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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der Gärtnerei einiges erledigen«, sagte Martin zum Abschied, »und deine Schwester dann mit nach Hause nehmen. Millie wird sich freuen, eine Spielkameradin zu haben.«
    Der Vollmond stand rot und leuchtend am Himmel, als die Kutsche vorfuhr.
    Immer wieder während des Essens hatte Minnie zu Rudolph geschaut, aber schnell weggesehen, wenn sich ihre Blicke trafen.
    Emilia sorgte dafür, dass die kichernden und lachenden Mädchen in die Kutsche einstiegen. Minnie wartete ein paar Schritte entfernt.
    »Auf Wiedersehen, Fräulein Lessing«, sagte Rudolph plötzlich an ihrer Seite. Er war nach dem Essen aufgestanden, hatte sich verabschiedet und war weggegangen. Es hatte Minnie verletzt, dass er kein persönliches Wort des Abschieds für sie gefunden hatte.
    Nun drückte er ihr einen Packen Briefe in die Hand. »Wie gesagt, ich war nicht dazu gekommen, sie abzuschicken. Geschrieben habe ich wohl, Fräulein Lessing.«
    »Minnie«, sagte sie. »Ihr nennt mich doch auch in den Briefen Minnie, lieber Rudolph.«
    »Wir sehen uns morgen. Ich freu mich schon.«
    Sie meinte, eine leichte Röte auf seinen Wangen zu sehen, aber das konnte auch am Mondlicht liegen.
    Ihr Herz klopfte, als sie in die Kutsche stieg und sich neben ihre Mutter setzte. Die Briefe hatte sie in ihre Tasche geschoben. Sie würde sie heute Nacht noch lesen, nahm sie sich vor.
    »Er ist nett. Netter, als ich gedacht habe«, sagte Emilia zu ihr, als sie an der Bay entlangfuhren.

27. K APITEL
    Eine Woche später stach Carl in See. Die Farbe auf der »Centennial« schien noch frisch zu sein, so sehr leuchtete das Schiff in der Sonne. Die Familie hatte sich am Kai versammelt. Kein Schlepper musste den Dampfer aus dem Hafen ziehen, er lief von ganz allein hinaus. Eine große Dampfwolke stand in der Sommerluft über dem Kamin, löste sich nur zögerlich auf. Emilia verdrückte ein paar Tränen, sie hatte diesmal mehr Angst als bei all den anderen Malen, als Carl mit der »Lessing« auf große Fahrt gegangen war. Er war ein Hochseesegler, kein Ingenieur. Er war ein Kapitän der alten Schule. Aber er hatte sich gründlich mit der neuen Technik vertraut gemacht, tröstete sich Emilia, als sie mit den Kindern die Tram bestieg und zurück nach Glebe fuhr.
    Einige Monate würde er unterwegs sein, aber schon an diesem Abend schrieb sie ihm den ersten von zahlreichen Briefen. Dieses Briefeschreiben war ihr inzwischen eine liebe Routine geworden, es half ihr über die einsamen Abende hinweg und war eine Art Zwiesprache mit Carl, auch wenn er nicht körperlich anwesend war. Sie wusste, in Gedanken war er bei ihr, so, wie sie bei ihm war. Manchmal hatte sie ihm in den Briefen kleine Ängste oder Nöte verschwiegen. Wenn ein Kind krank oder das Geld knapp gewesen war, Dinge, die er aus der Ferne nicht hätte ändern können. Alle großen Sorgen hatte sie jedoch mit ihm geteilt. Dies war das erste Mal, dass sie es nicht tat.
    Schon nach dem Sonntag bei Vollmers war ihr klargeworden, dass ernste Gefühle zwischen Minnie und Rudolph aufgeflammt waren.Allein schon wie sich ansahen oder wie sie bemüht den Blickkontakt miteinander vermieden, hatte es ihr gezeigt. Sie hatte darüber nachgedacht, mit Carl darüber zu sprechen, doch er war zu sehr mit dem neuen Schiff und der Order beschäftigt gewesen, hätte weder Zeit noch Gehör für solche Gedanken gehabt. Sie wollte ihn vor der Abfahrt nicht belasten, hatte sie beschlossen. Und auch jetzt, entschied sie, würde sie ihm nichts davon schreiben. Wer wusste schon, wie sich die Sache zwischen Minnie und Rudolph entwickeln würde? Vielleicht war es nur ein Strohfeuer, das schnell wieder verlöschen würde. Falls nicht, war später immer noch genügend Zeit, mit Carl darüber zu reden.
    Martin Vollmer hatte recht gehabt, soweit sie das bis jetzt beurteilen konnte, Rudolph war ganz anders als Jean. Rudolph machte einen ernsthaften, nachdenklichen Eindruck, er war kein Hallodri. Ihm schien auch nichts daran zu liegen, Machtpositionen einzunehmen und auszuüben, er wollte, so schien es ihr zumindest, einfach nur seinen Traum verwirklichen.
    Sein Traum war es, ein Stück Land urbar zu machen und zu bewirtschaften. Er war Carl nicht unähnlich, auch wenn die beiden Männer unterschiedliche Elemente liebten.
    Minnie lag schlaflos im Bett, wälzte sich von einer Seite zur anderen. Es war April, und der war mit klammer Nässe gekommen.
    »Gib endlich Ruhe oder hast du Flöhe im Bett?«, maulte Lily.
    »Lass mich«, raunzte Minnie

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