Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
muss dort tätig werden.«
»Technik, ja, davon redet man allenthalben. Dampfmaschinen, die die Arbeit der Menschen übernehmen.« Emilia schüttelte den Kopf.
»Ihr glaubt nicht daran?« Amsinck lachte leise. »Wieso nicht?«
»Weil eine Maschine den Menschen doch nicht ersetzen kann. Eine Maschine kann nicht denken. Sie kann nur ganz bestimmte Arbeitsschritte erleichtern, wie dreschen oder Wasser pumpen, aber den Menschen wird sie nie ersetzen können.«
»Damit habt Ihr sicherlich recht, aber der Fortschritt wird kommen. Jetzt schon werden jeden Tag neue, aufregende Erfindungen gemacht. Und ich möchte dabei sein, ein Teil davon sein. Ich möchte die Welt verändern.« Er straffte die Schultern und streckte das Kinn hoch. Ein aufwendig gezwirbelter Schnurrbart zierte sein Gesicht.
»Ihr wollt also die Welt verändern«, sagte Onkel Hinrich, der plötzlich aus seinem Kontor aufgetaucht war, und klopfte dem jungen Mann jovial auf die Schulter. »Wie wollt Ihr das machen?«
»Herr Bregartner, welch eine Freude, Euch zu sehen«, sagte Amsinck und reichte ihm die Hand.
Hinter ihrem Onkel stand ein Mann, er war groß und schlank, hatteein hageres Gesicht mit einem Vollbart – nicht der neuesten Mode entsprechend. Lag es an dem Bart oder an ihm selbst, dass er viel ernsthafter wirkte als die beiden anderen jungen Männer? Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig, wobei sein Gesicht wettergegerbt war und das Alter deshalb schwer zu ermessen. Auch trug er einen grauen Anzug, Hose wie Jacke, und eine ebensolche Weste, kein buntgestreiftes Beinkleid, wie es Mode war.
Er schien Emilias Blick zu bemerken, lächelte freundlich und trat auf sie zu.
»Carl Gotthold Lessing«, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.
»Lessing, wie der Dichter.« Emilia empfand den Händedruck als warm und fest.
»Ja, Ephraim Lessing war mein Großonkel, der Bruder meines Großvaters.«
»Dann seid Ihr auch verwandt mit dem Maler?«
»Das ist mein Bruder, einer meiner Brüder.« Wieder lächelte er, ein Lächeln, das Emilia berührte. »Ihr seid das Fräulein Bregartner, von dem ich schon so viel gehört habe?«
»Emilia Bregartner, in der Tat, die bin ich.« Emilia lächelte verschmitzt. »Ihr führt Geschäfte mit meinem Onkel, habe ich gehört?«
»Das will ich zumindest hoffen, denn ich möchte ein Schiff bauen lassen. Ich habe vor zwei Jahren mein Kapitänspatent erworben und will nun unter meiner eigenen Flagge segeln.«
»Sagt, guter Mann«, wandte sich Amsinck an ihn, »glaubt Ihr nicht, dass die Epoche der Segelschiffe sich dem Ende zuneigt? Und Ihr, Herr Bregartner, wie seht Ihr das?«
»Amsinck, Ihr spielt auf die Dampfschiffe an?« Hinrich lachte laut. »In Amerika tun sie ihren Dienst, diese Schaufelraddampfer, aber für die große Fahrt taugen sie nicht.«
»Das denke ich auch.« Lessing sprach ruhig, schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. »Bisher rentieren sich Dampfschiffe nicht. Sie müssen so viel Kohle aufnehmen, dass kaum Platz für andere Ladung bleibt.«
»Aber sie sind schneller und von den Winden unabhängig.«
»Das mag wohl stimmen, aber dennoch sind sie nicht tauglich, die großen Meere zu befahren.«
»Das stimmt«, sagte Amsinck und nickte, »noch nicht, vielleicht noch nicht. Die Technik entwickelt sich rasant. Ich habe aufregende Dinge von der Weltausstellung in New York gehört und bin mir sicher, dass sich in den nächsten Jahren viel verändern wird.«
»Ich glaube auch an den Fortschritt«, sagte Onkel Hinrich, »aber im Moment sind Dampfschiffe tatsächlich noch keine Alternative zu den Segelschiffen. Die Dampfschiffe sind zu anfällig für technische Probleme und auf hoher See wäre das fatal. Jedoch für die Binnenschifffahrt könnten sie in ein paar Jahren durchaus interessant werden.«
»Mir reicht ein Segelschiff, eine schöne Brigg.« Lessing lächelte. »Solide gebaut, wie man es von Eurer Werft kennt.«
»Und das sollt Ihr haben, mein lieber Mann. Über die Details können wir noch in Ruhe verhandeln.«
Lessing nickte zufrieden.
»Möchtet Ihr nicht etwas essen oder trinken? Unsere Köchin ist ganz fabelhaft«, sagte Emilia und wies auf die Tabletts und Platten, die schon ordentlich geleert waren.
»Das ist zu freundlich.« Er nahm sich drei Stückchen Brot und dann noch zwei Küchlein.
»Ihr bleibt doch sicher zum Essen, Lessing?«, meinte Onkel Hinrich.
Emilia sah, wie ihre Tante zusammenzuckte. Anscheinend hatte sie diesen Gast nicht eingeplant.
»Zum Essen? Wenn
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