Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
in der Wasserwirtschaft sind viele der neuen Häuser mit ordentlichen Badezimmern, sogar mit Wasserklosetts, ausgestattet«, sagte Tante Minna und klang so stolz, als wäre das ihr Verdienst. »Dadurch kann sich die bessere Gesellschaft mühelos rein halten. In Europa ist das bisher einmalig.«
»Andere Städte modernisieren ihre Wasserwirtschaft ebenfalls«, sagte Lindley. »Es gibt viele moderne Techniken, die immer besser und besser werden. Doch leider haben einige Teile der Bevölkerung zu diesen Dingen noch keinen Zugang. Und das wollen wir ändern. Frau Bregartner hilft mir mit Rat und Tat und Spenden.«
»Es soll also ein Haus errichtet werden, in dem diese Bevölkerungsschichten baden können?« Lessing war immer noch verblüfft.
»Eine Anstalt, ein Gebäude mit Wannen und heißem Wasser, inVerschlägen natürlich. Und außerdem Waschstände mit sauberem Wasser, so dass sie ihre Wäsche nicht mehr mit Fluss- oder Brunnenwasser waschen müssen. Das wäre doch ein hervorragender Fortschritt. Hygiene würde in Hamburg an erster Stelle stehen.«
»Und was sagt der Bürgerrat?«, wollte Onkel Hinrich wissen.
»Nun, es gibt zwei Probleme: zum einen – wie immer – das Geld. Obwohl Eure Frau und Ihre bezaubernden Freundinnen schon viel Geld gesammelt haben, es großzügige Spender gibt, ist es doch ein teures Unterfangen. Noch wollen die Räte den Vorteil nicht sehen, jedenfalls nicht genügend. Und zum anderen gibt es eine Fraktion, die meint, damit würden der Unmoral Tür und Tor geöffnet werden.«
Lessing lachte. »Das kann ich mir vorstellen.«
Tante Minna sah ihn verärgert an. »Ihr werdet doch diese dumme Ansicht nicht teilen?«
»Ich?« Lessing schüttelte den Kopf. »Ich bin sehr für Reinlichkeit und auch dafür, allen Schichten die Möglichkeit dazu zu geben. Aber man kennt ja die Räte.«
»Meine Frau ist fast besessen davon, wohltätig zu sein. Diese Sache hat es ihr besonders angetan«, sagte Onkel Hinrich. »Nun lasst uns aber noch einmal über unser Projekt sprechen. Denn schließlich muss ich ja erst einmal Geld einnehmen, bevor meine Frau es an Bedürftige verteilen kann. Im Groben sind wir uns einig über die Größe des Schiffes.«
Lessing nickte. »Ich werde noch heute Abend einen Brief an meine Brüder schicken, die sich finanziell beteiligen wollen.«
»Das klingt nach einem guten Plan. Wann seid Ihr wieder unterwegs?«
»In zwei Wochen soll die ›Poseidon‹ in See stechen. Der Ballast ist schon geordert. Ich hoffe, in vierzehn Monaten aus Chile zurück zu sein.«
»Vierzehn Monate, eine sportliche Vorgabe.«
»Zumindest habe ich bei der letzten Reise so lange gebraucht. Je früher ich das Kap umrunde, umso schneller kann ich zurück sein.«
»Euer Weg führt Euch zuerst nach England?«
»Dort werde ich Stückgut laden und auch einige Aussiedler mitnehmen. In Chile ist Silber entdeckt worden, und den Glücksrittern macht es nichts aus, auf einem Frachtschiff zu reisen.«
»Aber es ist doch ein Unterschied, ob man Frachtgut geladen hat oder Menschen«, warf Emilia ein, die interessiert zugehört hatte.
»Das ist wohl richtig. Aber diese Männer sind anspruchslos. Sorge machen mir nur die Lebensmittelvorräte. Denn vor Kap Hoorn habe ich kaum eine Gelegenheit, diese aufzufüllen. Und schon manch einer hat Wochen oder gar Monate vor dem Kap gekreuzt, bis die Winde günstiger wurden.«
»Was macht Ihr, wenn Ihr in Not geratet?«
Lessing zuckte mit den Schultern. »Die Vereinbarungen und Anweisungen sind eindeutig – die Crew, meine Männer, gehen vor. Fracht ist Fracht.«
»Das ist ja fast unmenschlich«, sagte Emilia leise. »Ihr würdet die Männer also verhungern lassen?«
»Ich habe keine Wahl, ich bin für diese Fahrt geheuert worden. Verhungern werden sie nicht, aber die Rationen müssten dann deutlich eingeschränkt werden. Eine kraftlose Crew ist unbrauchbar. Und wie Euer Onkel schon sagte: Geld muss erst verdient werden, bevor man es ausgeben kann. Mein größtes Ziel ist ein eigenes Schiff, bei dem ich über die Fracht selbst entscheiden kann.«
Das Essen, das an diesem Abend serviert wurde, war, wie immer, köstlich. Die Gespräche waren amüsant und erfrischend. Emilia bereute es nicht, ihren Platz getauscht zu haben, um neben Lessing zu sitzen. Er war anders als die jungen Männer, die sie bisher kennengelernt hatte. Nachdenklicher, ernsthafter.
Vielleicht lag das daran, dass er selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen musste. Auch wenn ihn seine
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