Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Brüder beim Kauf des Schiffes unterstützten, so hatte er doch kein Vermögen und keine Firma im Hintergrund, die ihn auffangen würden, wie bei Rickmers und Amsinck.
»Ich werde noch einmal bei Eurem Onkel vorsprechen«, erzählte er ihr, »bevor ich in See steche. Darf ich Euch auch wiedersehen?«
»Ich bitte sehr darum. Ich habe das Gespräch mit Euch genossen.«
Er verbeugte sich und ging, ohne noch irgendwelche Floskeln von sich zu geben. Anders verhielt es sich mit Amsinck, der sie mit Komplimenten überschüttete und wortreich um ein Wiedersehen bat.
»So viel Honig nach diesem reichlichen Essen bekommt mir nicht«, erwiderte Emilia spöttisch. »Aber vielleicht gibt es ja demnächst eine mechanische Lösung dafür.«
»Ihr macht Euch über mich lustig. Ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können. Eine der Perlen Hamburgs verschmäht mich.«
»Lieber, guter Amsinck, übertreibt es nicht. Und geht, ich möchte mich zur Ruhe begeben, damit ich Euch das nächste Mal frisch und munter begegnen kann.«
»Es wird also ein nächstes Mal geben?« Er lächelte und küsste ihre Hand.
Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen, dachte Emilia und unterdrückte ein Gähnen.
Sie war froh, als Jule ihr endlich aus dem schweren Rock, dem Gestell und dem Korsett half.
»Was für eine Wohltat, endlich wieder Luft holen zu können«, sagte sie und öffnete das Fenster weit. »Bitte schleich in die Küche und besorg mir einen Imbiss. Ich verhungere ansonsten.«
»Habt Ihr nichts gegessen, gnädiges Fräulein?«, fragte Jule verblüfft.
»Nur wie ein Vögelchen. Die Suppe habe ich wohl hinunterbekommen, alles andere blieb mir im Halse stecken, da kein Platz in meinem Magen war. Du hattest ihn zu sehr eingeschnürt.«
Jule lachte und eilte flink nach unten.
8. K APITEL
»Sehr verehrtes Fräulein Bregartner,
es war mir eine besondere Freude, Euch heute Morgen am Kai zu treffen. Und natürlich werde ich dafür sorgen, dass die Briefe Ihre Eltern sicher erreichen, es ist mir ein ganz besonderes Vergnügen, sie befördern zu dürfen. Gegen Mittag wollten wir die Leinen lösen und ablegen, doch immer noch fehlte Ladung. Im letzten Moment wurden die wichtigen Konserven gebracht und die Katze, ohne die es nicht geht, wollen wir kein Rattenschiff werden, in einem Sack an Bord gebracht. Sie kommt immer zuletzt und wird in dem Sack gelassen, bis wir sicher den Hafen verlassen haben.
So manches Tier ist auf Planken oder Seilen wieder zurück auf Land geflohen, da sind wir vorsichtig. Endlich aber hieß es ›Leinen los‹ und ›Segel setzen‹. Die Winde waren uns wohlgesinnt und flugs konnten wir den Hafen verlassen. Ich schreibe diese Zeilen, die Elbchaussee rechts von mir, die letzten Zeichen Hamburgs im Rücken. Der Himmel ist blau und Schäfchenwolken täuschen ruhiges Wetter vor, doch der Wind zieht an und schon bald werden wir die offene See erreichen. Dann wird uns auch der Lotse verlassen, ein alter Mann aus Othmarschen, Jörgensen genannt. Ihn bat ich, diesen Brief zu Euch zu bringen. Er kennt Euch wohl. So ist diese Welt, die ich über die Meere erkunde und befahre, so manches Mal nicht größer als ein Dorf.
Mein liebes Fräulein Bregartner, ich hoffe, Ihr verübelt mir diese persönliche Anrede nicht, aber lieb seid Ihr mir geworden in der kurzen Zeit, die wir uns kennen. Ich hoffe, von Euch zu hören. In Gravesend werde ich vermutlich zwei oder drei Wochen verbringen, bevor es auf die große Fahrt geht. Valparaiso werde ich frühestens in einem halben Jahr erreichen. Aber wenn Ihr mögt, so schreibt mir. Und wenn ich darf, werde ich Euch auch schreiben.
Euer aufrichtiger Diener
Carl Gotthold Lessing«
Emilia las den Brief wieder und wieder. Überhaupt dachte sie viel an diesen ernsten Mann, der die Mode missachtete, aber seine Träume verwirklichen wollte. Noch als er in Hamburg weilte, hatten sie begonnen miteinander zu korrespondieren. Manchmal waren es nur kurze Briefe, über einen Gedanken, den sie besprochen hatten und den er vertiefen oder ihr erläutern wollte. Ihm lag nichts an der Schaumschlägerei, die die anderen so reichlich betrieben und fast schon zur Kunst ausbauten.
Auch wenn Carl Gotthold schon mit fünfzehn die höhere Schule verlassen hatte und danach als Schiffsjunge zur See gefahren war, so war er doch sehr belesen und gebildet.
Seinem Brief vom Beginn seiner Schiffsreise verdankte sie ein Wiedersehen mit dem mittlerweile alt gewordenen ehemaligen Nachbarn Jörgensen. Zufällig
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