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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Feldern, kalter Wind kam über den Deich, der goldene Herbst war endgültig vorbei. In der Luft lag der Geruch der Kartoffelfeuer. Das Laub fiel von den Bäumen, während sie sich auf den Weg zurück in die Stadt machten.
    »Warte«, wies Emilia den Kutscher an. Sie waren gerade erst auf dieChaussee gelangt. Emilia stieg aus dem Wagen, raffte ihre Röcke und rannte den Deich hoch.
    »Ich nehme sie«, sagte sie keuchend zu Mette. Die junge Frau schaute sie aus müden Augen an. Der Säugling schrie in der Stube und der zweijährige Sohn saß in der Küche und weinte. »Oh, ich komme ungelegen«, entschuldigte Emilia sich.
    Mette schüttelte den Kopf. »Ist schon gut. Das ist hier jeden Morgen so.« Sie seufzte. »Aber mit der Zeit wird es sicher besser.«
    In der Küche roch es nach saurer Milch und Kohl. Emilia blieb unschlüssig stehen.
    »Was hast du denn vor?« Mette betrachtete ihre einstige Freundin. »Du siehst aus, als würdest du zu einer großen Gesellschaft gehen.«
    »Nein, das ist nur mein Reisekostüm.« Emilia berührte den kleinen Hut, der auf ihrem Kopf festgesteckt war. Ihre Hände steckten in ledernen Handschuhen, sie trug die schmale Krinoline, damit sie besser in der Kutsche sitzen konnte. Ob Mette überhaupt einen Reifrock besitzt?, fragte sie sich und fühlte sich plötzlich sehr unwohl. »Die Hündin. Ich dachte … ist sie noch da?«
    Mette wies auf die Decke. Dort lag die Hündin zusammengerollt und die Welpen neben sich. Die Rüden waren alle dunkel und hatten spitze Ohren, nur die Hündin sah aus wie in Karamell getaucht. Sie hatte Schlappohren und eine breitere Schnauze als ihre Brüder. Emilia ging einen Schritt auf den Ofen zu, die Hündin hob den Kopf, schaute sie an und klopfte mit der Rute auf die Decke.
    »Du nimmst sie?«, fragte Mette verblüfft.
    »Ja.« Emilia beugte sich hinunter und hob den Hund hoch. »Ja, ich nehme sie, wenn ich darf.«
    »Nur zu.« Mette lachte. »Im kommenden Jahr wird es den nächsten Wurf geben.«
    »Es tut mir leid, aber die Kutsche wartet schon …«
    »Geh nur«, sagte Mette leise. »Schön, dass du hier warst. Uns verbindet nicht mehr viel, fürchte ich.«
    »Jetzt verbindet uns dieser Hund.« Emilia lächelte. »Wie heißt sie?«
    »Sie hat noch keinen Namen. Ich dachte, das lohnt sich nicht.«
    »Karamell, ich glaube, ich nenne sie Karamell.«
    Mit dem Hund im Arm lief Emilia wieder zurück zur Kutsche. Grünwald war ausgestiegen und wanderte ungeduldig, die Hände auf dem Rücken, hin und her.
    »Wo bleibt Ihr denn?«, fragte er verärgert. »Die Kinder frieren.«
    Du frierst wohl mehr, dachte Emilia. »Ich bin doch schon da«, sagte sie aber nur und schlüpfte in die Kutsche.
    »Was hast du da?«, fragte Jasper neugierig.
    »Einen Hund. Meinen Hund. Sie heißt Karamell.« Emilia rutschte zur Seite, damit Grünwald auch Platz nehmen konnte.
    »Oh, ist die süß«, sagte Mathilda und beugte sich vor. »Darf ich sie streicheln?«
    »Ja, aber nur ganz sachte. Sie ist noch klein und hat sicher Angst.«
    Mathilda strich sanft über den Kopf des Tieres. Karamell schloss die Augen und hob das Kinn.
    »Ich glaube, das mag sie«, sagte Mathilda selig. »Ihr Fell ist so weich.«
    Hoffentlich hat Tante Minna nichts dagegen, dachte Emilia, während sich die Kutsche wieder schaukelnd in Bewegung setzte.
    Über Othmarschen hatte Nebel gehangen, über Hamburg lag eine Wolke aus Qualm und Gestank. Aus den Kaminschloten stieg der Rauch, in den alten Vierteln, die nicht abgebrannt waren, stank es nach Abfall und brackigem Wasser. In dem Viertel um das Nikolaifleet standen noch viele Behelfsunterkünfte. Armselige Baracken, in denen die Tagelöhner mehr hausten als wohnten. Nur in den ganz neu angelegten Straßen gab es keine Abfallhaufen und Abwassergruben. Doch auch dort qualmten die Kamine und Öfen.
    Emilia hatte Glück. Tante Wilhelmina rümpfte zwar die Nase, erlaubte ihr aber, den Hund zu behalten. Auch war sie nicht entzückt von dem spontanen Ausflug der Familie nach Othmarschen, aber Emilia bekam unerwartete Rückendeckung von ihrem Onkel.
    »Das war eine gute Idee, Emma. Ich hatte mir schon Sorgen um Jasper gemacht, er war so blass und still geworden. Nun wirkt er wiederviel munterer. Nächstes Jahr müssen wir unbedingt länger auf das Gut fahren, es erfrischt die Kinder immer so. Die Luft ist dort auch viel besser.«
    Emilia lächelte glücklich. Noch mehr freute sie sich, dass sie endlich Post bekommen hatte. Einen Brief von ihrer Mutter und einen von

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