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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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nackten Füßen in der Elbe zu waten und Muscheln zu suchen.
    Die Mahlzeiten waren einfach, aber köstlich. Sie aßen alle zusammen in der Küche am großen Gesindetisch. Grünwald rümpfte zunächst die Nase, ließ sich aber dann durch den Schweinebraten und das frischgebackene, noch dampfende Brot versöhnen.
    Es tat allen gut, ein wenig die Seele baumeln zu lassen.
    Emilia besuchte ihre alte Freundin Mette, doch sie stellte fest, dass sich ihr Leben allzu unterschiedlich entwickelt hatte. Während Mette auf der Küchenbank saß und ihre neugeborene Tochter stillte, konnte Emilia unmöglich von den Gesellschaften, den rauschenden Bällen und den Opernbesuchen erzählen.
    Auf einer Decke vor dem Herd lag die Hündin des Hauses mit vier Welpen. Emilia hockte sich vor die Tiere und streichelte sie begeistert. Sie war froh, dass sie auf ihren Reifrock verzichtet hatte und in einem schlichten Kleid gekommen war.
    »Ach, sind die niedlich.« Sie nahm eines der Kleinen hoch, eine sandfarbene Hündin.
    »Die ist noch zu haben«, sagte Mette. »Es ist ein Weibchen. Die Rüden sind alle schon vergeben. Ihr Vater ist ein guter Wachhund, aber das Mädchen will keiner.«
    »Behältst du sie dann? Sie ist so hübsch.« Emilia drückte das Tier an sich. Es leckte ihr über die Finger.
    Mette lachte. »Nein, mein Mann wird sie in der Elbe ersaufen. Noch eine Hündin, die dann nächstes Jahr auch wirft, können wir nicht gebrauchen.«
    »Was?« Emilia sah ihre Freundin entsetzt an. »Ihr ertränkt den kleinen Hund?«
    »Wir können doch nicht alle Tiere durchfüttern, Emma.« Mette lachte auf. »Wie stellst du dir das vor?«
    Emilia schaute in die treuen Hundeaugen, wieder leckte ihr das Hundemädchen über die Hand.
    »Wenn du sie haben willst, nimm sie mit.«
    »Ich glaube nicht, dass meine Tante das erlauben würde«, sagte Emilia nachdenklich.
    »Bis nächste Woche hast du noch Zeit. Dann werden die anderen Hunde abgeholt. Wenn sie keiner haben will, kommt sie in den Sack.«
    »Das ist so grausam.«
    »Das ist weniger grausam, als wenn wir sie verscheuchen würden und sie verhungern müsste.«
    Noch in der Nacht dachte Emilia an das kleine Hundekind. Ihre Tante mochte Hunde, hatte auch schon welche besessen. Aber es gefiel ihr nicht, die Tiere ständig um sich zu haben. Immer wieder waren sie nach kurzer Zeit in den Dienstbotentrakt verbannt worden. Was dann mit ihnen passiert war, wusste Emilia nicht, sie hatte sich nie Gedanken darum gemacht. Doch vermutlich hatten die Tiere keinen neuen Besitzer gefunden, sondern waren auch »in den Sack« gekommen.
    Die Vorstellung gruselte sie. Das Hundemädchen hatte so treu geschaut, ihr Fell war weich und anschmiegsam gewesen. Vielleicht würde Inken sie ja haben wollen.
    »Bist du verrückt? Eine Hündin?«, sagte Inken, als Emilia sie am nächsten Morgen fragte. »Mir reicht schon der alte Hofhund. Wenn er nicht mehr ist, werden wir uns einen neuen anschaffen, es gibt ja genug. Aber keine Hündin. Alle halbe Jahre stehen dann die Rüden auf dem Hof, wenn sie läufig ist. Dann ist der Teufel los. Und dann die Welpen, wohin damit? Außerdem ist eine Hündin, wenn sie tragend ist, träge und zu nichts nutze. Das kann ich nicht gebrauchen. Einen Wachhund, ja. Aber keine Hündin.«
    »Sie ist wirklich ganz lieb.«
    Inken zuckte mit den Schultern. »Lieb sind auch die Zicklein und die Lämmer, die Kälber. Alle jungen Tiere sind niedlich.«
    »Ich weiß, dass du recht hast, Inken«, sagte Emilia traurig.
    Am Abend des dritten Tages deckte Inken im Esszimmer. Sie brachte das gute Porzellan, die Kristallgläser und das Silberbesteck auf den Tisch.
    »Das ist doch viel zu viel Arbeit«, sagte Emilia verblüfft. »Das muss doch nicht sein.«
    »Zweimal die Woche kommt Katja von Jörgensens und hilft mir im Haushalt. Heute habe ich ihr gezeigt, wie man das Silber poliert. Dann können wir es auch benutzen«, sagte Inken und lächelte. »Es ist doch auch ganz schön, festlich einzudecken. Da die Familie dieses Jahr noch nicht hier war, geht das schon in Ordnung. Ist doch auch gut, wenn ich nicht aus der Übung komme.«
    Das Kerzenlicht spiegelte sich in den silbernen Leuchtern und in den Fensterscheiben, im Kamin brannte ein lustiges Feuerchen, denn draußen wurde es kühl. Emilia fühlte sich um Jahre zurückversetzt und ihr tat das Herz weh bei dem Gedanken an früher, als sie noch mit ihren Eltern hier gewohnt hatte.
    Früh am nächsten Morgen bepackten sie die Kutsche. Nebel lag über den

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