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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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können keinen anständigen Beruf ergreifen. Wer Lehrling werden will, muss ehelich geboren sein, sonst nimmt die Zunft ihn nicht auf. Wer keine zweifelsfreie Geburt nachweisen kann, wird nichts in dieser Welt.«
    »Aber kann Rieke ihr Kind nicht bei Inken aufziehen?«
    »Was wird dann aus dem Balg? Es wird ein Tagelöhner oder Hungerleider, einer mehr, für den die Wohlfahrt sorgen soll. Derer gibt es schon zu viele. Deshalb ist es so wichtig, dass junge Frauen auf ihre Ehre achten.«
    Vier Wochen später kehrte Rieke zurück. Sie war ernster geworden, nachdenklicher. Ihre Arbeit verrichtete sie weiterhin gründlich und schnell, deshalb hatte Tante Minna sie behalten und nicht auf die Straße gesetzt.
    »Ich fahre zur Werft«, sagte Onkel Hinrich eines Morgens Ende Mai. »Das Schiff für Lessing ist bald fertig.«
    Emilia sah auf. »Darf ich mitkommen?«
    Tante Minna schaute sie nachdenklich an. »Mein Kind, es ist mir nicht entgangen, dass du dem Kapitän schreibst und er auch dir Briefe schickt. Es verwundert mich sehr.«
    »Warum?«, wollte Emilia wissen.
    Onkel und Tante wechselten einen Blick, dann seufzte Tante Minna. »Du bist nun achtzehn, im besten Alter, um über eine Verbindung nachzudenken. Es gibt etliche Bewerber, die dich zum Altar führen würden.«
    »Ach, Tante Minna, ich fühle mich noch nicht bereit, mich für ein Leben zu binden.«
    »Du solltest aber darüber nachdenken«, sagte der Onkel ernst. »Auch wenn du noch nicht dieses oder nächstes Jahr heiratest. Wir wünschen uns natürlich, dass du jemanden wählst, dem du zugetan bist, aber er sollte natürlich auch deinem Stand entsprechen.«
    »Und dieser Kapitän Lessing, nun ja«, fügte Tante Minna hinzu, »er ist ganz sicher nicht der richtige Bewerber.«
    »Aber Tante, daran habe ich gar nicht gedacht. Wir schreiben uns, diskutieren über Literatur und philosophische Gedanken. Es ist ein sehr angenehmer Schriftwechsel. In keinem der Briefe wirst du persönliche Worte finden, die sich nicht gehören, oder gar Gedanken über die Zukunft.«
    »Dennoch würde ich mir wünschen, dass du nicht so viel Zeit mit diesem Schriftwechsel verbringst. Möglicherweise machst du dem armen Kapitän unbegründete Hoffnungen dadurch, dass du ihm so viele Briefe widmest.« Tante Minna räusperte sich. »Du weißt, ein Kapitän ist keine wünschenswerte Partie für dich.«
    Emilia schob das Kinn vor. »Weder er noch ich haben über eine Ehe gesprochen. Wir sind einander lediglich freundschaftlich verbunden.« Sie stand auf, rief den Hund und verließ das Esszimmer. Ihre Tante und ihr Onkel sahen ihr verblüfft hinterher. Bisher hatte sie sich immer gefügt, war brav und lieb gewesen.
    Im Flur blieb Emilia schnaufend stehen. Ein Spaziergang an der Alster, das würde ihre Wut kühlen.
    Wie kam die Tante nur dazu, ihr unlautere Beweggründe zu unterstellen? Natürlich wusste sie, dass ihre Familie von ihr erwartete, dass sie sich standesgemäß vermählte. Und trefflich für das Geschäft, natürlich. Emilia wurde von einigen jungen Männern umworben, die Tante und Onkel passend erschienen, das hatten sie schon mehrfach durchklingen lassen.
    Ich mag mich noch nicht binden, dachte Emilia. Es gibt auch niemanden, der mein Herz bisher erobert hat. Nett sind sie, ja, aber reicht das für ein gemeinsames Leben?
    Und Lessing – machte sie ihm tatsächlich Hoffnungen? Sie erzählte in ihren Briefen von sich und ihrem Leben, aber viel mehr noch von den Büchern, die sie gerade las. Sie berichtete von Konzert- und Opernbesuchen. Seine Meinung über all diese Dinge interessierte sie. Aufgrund seiner Briefe wusste sie, dass er ein nachdenklicher, manchmal sogar melancholischer Mann war, der aber eine ordentliche Portion Humor besaß. Er hatte eine gute Beobachtungsgabe und konnte seine Eindrücke lebhaft schildern.
    Eine Freundschaft hatte sich zwischen ihnen entwickelt, aber doch keine romantische Beziehung. Oder doch? Sie hatte das Gefühl, Lessing besser zu kennen als die jungen Männer, die sie zu den gesellschaftlichen Anlässen traf, die mit ihr ausfuhren, die Familie besuchten und mit ihnen aßen. Die Konversation mit jenen Männern blieb oberflächlich. Was in deren Köpfen vorging, wovon sie träumten und worauf sie hofften, wusste Emilia nicht. Und wenn sie ganz ehrlich war, es interessierte sie auch nicht. Lessing hingegen schon.
    Sie schrieb weiter Briefe, schickte Rieke damit zur Post, um ihre Tante zu umgehen. Rieke gab die Briefe ab, wenn sie in der Stadt

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