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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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einen Besuch abzustatten. Die »C. F. Lessing« war ein stattlicher Dreimaster, ein beeindruckendes Schiff. Noch war alles neu, es roch nach Pech und Teer, das Schiff war schon kalfatert worden.
    Lessing lief gerade über das Deck und begutachtete die Aufbauten der Mannschaften im Bug, als Emilia an Bord kam.
    »Ihr hier?«, fragte er überrascht.
    Emilia lächelte. »Ich habe mich davongeschlichen. Mein Onkel ist heute den ganzen Tag auf einer Ratssitzung.«
    Er zog die Augenbrauen zusammen. »Davongeschlichen?«
    Emilia winkte ab. »Ich war gestern so überrascht, Euch zu sehen. Da musste ich einfach kommen. Ich habe die ›Lessing‹ schon im Frühjahr begangen, mein Onkel hat mich mitgenommen. Doch da sah das Schiff noch aus wie ein Gerüst. Jetzt ist es fast fertig. Ich bin beeindruckt. Mögt Ihr mir die Kajüte zeigen, so dass ich weiß, wo Ihr meine Briefe lesen werdet? Es würde mir viel bedeuten.«
    Emilia hatte Rieke mitgenommen. Das Mädchen war nur seufzend und klagend auf das Schiff gekommen. Nun winkte Emilia sie herbei.
    »Ihr wollt meine Kajüte sehen? Wirklich?« Erfreut ging er voran. »Genau so hatte ich es mir vorgestellt. Euer Onkel hat meine Pläne wirklich trefflich ausgeführt. Schaut her.« Vom Deck gelangten sie über wenige Stufen auf das Oberdeck. Dieses lag um vier Fuß höher, und darin eingelassen war die Kajüte, der »Wohnraum« des Schiffes mit den Nebenräumen.
    Vorn und hinten war die Kajüte durch einen kleinen Absatz, von dem drei Stufen nach unten führten, zu betreten. Lessing führte sie durch den vorderen Eingang. Ein langer Tisch beherrschte den Raum. Zu beiden Seiten befanden sich hölzerne Bänke mit Rückenlehnen. Staunend sah Emilia sich um. Der Tisch hatte abklappbare Seitenteile und war durch eine Leiste in der Mitte geteilt.
    »Wozu dient das?«, fragte Emilia und prüfte die Scharniere.
    Lessing lachte. »Stellt Euch einen Tag mit hoher See vor. Das Meer kocht, das Schiff taucht tief in die Wellen ein, kommt wieder hoch, es krängt nach Backbord, die Segel werden eingeholt, es fällt nach Steuerbord und das Meer schlägt über das Schiff. Alles, was auf dem Tisch steht, rutscht und schlingert.«
    »Natürlich! Daran habe ich gar nicht gedacht. Die Seitenteile halten den Teller auf, bevor er zu Boden fällt. Aber die Querleiste, was bewirkt die?«
    »Das ist noch einfacher. Auf dieser Seite wird gegessen. Meine Steuermänner und ich essen hier, die Mannschaft isst vorn in der Kombüse, die zeige ich Euch gleich. Also, hier essen wir und hier lebe ich.« Er wies auf die andere Seite des Tisches. »Und meine Männer zum Teil auch. Da liegen die Bücher, die wir lesen, das Briefpapier, die Kästen mit den Messern und Kielen, Federn, Lupen, Zirkeln und anderem Kram.«
    Emilia schaute nach oben. Durch das gewölbte Oberlicht schien die Sonne in den Raum, ein diffuses, freundliches Licht. Auch der Kompass war schon angebracht worden. Hinten an der Wand war noch ein freier Platz.
    »Dort kommt das Sofa hin«, erklärte Lessing. »Es ist schon bestellt und soll nächste Woche geliefert werden. Darüber wird ein Spiegel gehängt und in die Mitte über den Tisch kommt eine Lampe.« Stolz sah er sich um. »In dieses Regal kommen meine Bücher. Seht Ihr diese Leisten? So können sie auch bei hoher See nicht herausfallen.«
    »Und die Türen?«, fragte Emilia. »Wohin führen die?« Sie wusste natürlich, dass um die Kajüte herum die Kabinen lagen, das Badezimmer, die Pantry und das Ofenkämmerchen. Der Proviantraum lag tiefer und in der Nähe der Kapitänskammer.
    Lessing öffnete Tür für Tür. »Das ist der Feinschliff«, sagte er grinsend, »der noch zu erledigen ist. Weder mein Bett noch das der Steuerleute steht. Alles soll noch kommen. Die gusseiserne Badewanne allerdings wurde schon geliefert und installiert. Auch das Ofenkämmerlein ist schon ganz mit Blech ausgeschlagen worden. Ein Feuer an Bord möchte schließlich niemand.« Er führte sie wieder an Deck.»Vorn ist das ›Logis‹, die Kombüse und die Unterkunft der Mannschaft. Schlicht, aber gut. Ich bin sehr zufrieden mit dem Schiff.« Er atmete tief ein. »Und bald schon wird die ›Lessing‹ in den Wellen rollen, das Tauwerk wird in der Sonne blinken, so fein wie Spitze. Anmutig und leicht wie ein Wasserhuhn wird sie durch die Wellen gleiten, behände und flink. Das dreieckige Stagsegel am Klüverbaum wird vom Wind gebläht werden und ich werde am Steuerrad stehen und die ›Lessing‹ durch alle widrigen Winde

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